Journalismus: Zwischen Algorithmen, Öffentlichkeit und Zusammenhalt
Der rasante digitale Fortschritt stellt die Medien vor große Herausforderungen. Doch auch das Selbstverständnis der JournalistInnen unterliegt einem Wandel. Bei der Podiumsdiskussion zur „Zukunft der Medien“ haben der Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR), Ulrich Wilhelm, und der Münchner Verleger Dirk Ippen die Bedeutung von Journalismus für den Zusammenhalt der Gesellschaft hervorgehoben.
Die Gesellschaft drifte immer weiter auseinander, weil jeder seine Meinung ungefiltert und ohne großen Aufwand über das Internet veröffentlichen könne, sagte der ARD-Vorsitzende Wilhelm am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion zur „Zukunft der Medien“ in der Evangelischen Akademie Tutzing. Dieser Trend werde durch technologische Entwicklungen wie das selbstfahrende Auto verstärkt: Wenn Menschen beim Fahren die Hände frei haben, würden sie zusätzliche mediale Angebote nutzen, die ihnen über das Cockpit der Fahrzeuge eingespielt werden.
Dieser „kompletten Unübersichtlichkeit“ durch ein immer größeres mediales Angebot und der damit einhergehenden weiteren Auseinanderdifferenzierung der Gesellschaft müsse seriöser Qualitätsjournalismus Einordnung und Orientierung entgegensetzen, betonte Wilhelm. Dadurch könne der Gefahr begegnet werden, dass die Gesellschaft weiter polarisiert wird und es durch Echokammern und Blasen im Netz nurmehr um eine Mobilmachung der eigenen Anhängerschaft gehe, was zu einer „Auflösung der Demokratie“ führen könne.
Grundlage für solchen Journalismus ist Zeitungsverleger Ippen zufolge die kritische Recherche. Weil dieser aufwendige recherchierende Journalismus auf Dauer jedoch nicht mehr zu finanzieren sei, werde es immer häufiger zu Rechercheverbünden mehrerer Medien kommen. Außerdem werde es in Zukunft vermehrt Kooperationen von Tageszeitungen geben, prognostizierte Ippen.
Journalistisches Selbstverständnis im Wandel
Die Tageszeitungen bleiben nach seiner Einschätzung weiter wichtiger Wirtschaftsfaktor der Verlage. Denn Bezahlmodelle durch Online-Angebote ließen sich nur schwer verwirklichen. Wie Ippen sagte, zählt der Internetauftritt seiner Zeitungsgruppe zwar 200 Millionen Besucher monatlich. Diese Reichweite würde aber zusammenbrechen, wenn die Besucher für das Online-Angebot Geld bezahlen müssten.
Durch neue mediale Konkurrenzen habe sich das Selbstverständnis von Journalisten grundlegend geändert, sagte Ippen. Denn früher seien die Journalisten eine Art „Priesterkaste“ gewesen, weil nur über die etablierten Medien publiziert werden konnte. Das sei heute anders.
Die EU-Urheberrechtsreform begrüßten Ippen und Wilhelm grundsätzlich. Allerdings sei sie keine ideale Lösung, wie Ippen betonte. Denn Internet-Filter könnten auch ein gefährliches Instrument sein, etwa in Ländern ohne Meinungsfreiheit. Intendant Wilhelm regte erneut den Aufbau einer digitalen europäischen Plattform als Gegengewicht zu den dominierenden US-amerikanischen Anbietern Google und Facebook an.
Die Podiumsdiskussion der Medienexperten stand im Rahmen der Reihe „Tutzinger Reden“, die gemeinsam von der Evangelischen Akademie und dem Rotary Club Tutzing veranstaltet wird.
unter Verwendung von Material des Evangelischen Pressediensts EPD
Die Eingangs-Statements zur Debatte von Ulrich Wilhelm und Dr. Dirk Ippen können Sie in unserer Mediathek nachhören.
Bild: Von links nach rechts: Akademiedirektor Udo Hahn, Intendant Ulrich Wilhelm, Verleger Dr. Dirk Ippen und Rotarier Dieter Becker (Foto: Haist/eat archiv).