Im Dilemma: Ressourcenknappheit in der Medizin und Corona

Wie könnte ein ethisch angemessener Umgang mit knappen Ressourcen im Gesundheitswesen aussehen? Welche Nutzens- und Schadenspotenziale müssen gegeneinander abgewogen werden? Georg Marckmann, Mediziner, Philosoph und Public-Health-Experte nahm im RotundeTalk Stellung zu den ethischen Dilemmata der Coronakrise.

Wie sollen Mediziner auswählen, welche Menschen behandelt werden, wenn es aufgrund der Auslastung nicht möglich ist, alle zu behandeln? Diese Frage war in der jüngsten Geschichte nur in Fällen der Katastrophenmedizin aufgetaucht – während der Corona-Pandemie wurde sie zu einem großen Dilemma.

Prof. Dr. Georg Marckmann ist Mediziner und Philosoph und beschäftigt sich eingehend mit ethisch schwierigen Fragen wie diesen und kritischen Entscheidungssituationen wie sie im Alltag von Ärztinnen und Ärzten und Pflegekräften auftauchen. Im RotundeTalk mit Pfarrer Frank Kittelberger, Studienleiter für Ethik in Medizin und Gesundheitswesen an der Evangelischen Akademie Tutzing, machte er deutlich, wie wichtig ein angemessener Umgang mit solchen Situationen ist.

Entscheidungen über das Ausmaß einer medizinischen Behandlung und Fragen des Lebens und Sterbens müssen offen angesprochen und ausgehandelt werden. Dazu braucht es die Bereitschaft aller Beteiligten und entsprechende Ausbildungen und Erfahrungen, so Marckmann, der Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig Maximilians Universität in München sowie Präsident der bundesweiten Fachgesellschaft „Akademie für Ethik in der Medizin“ ist.

Im Gespräch verwies er auf die Notwendigkeit ethischer Fallkonferenzen, die man lernen und niederschwellig anbieten und durchführen könne. Dies gelte nicht nur für sensible Bereiche im Krankenhaus – etwa eine Intensivstation –  sondern auch für Pflegeheime und die ambulante Pflege von Menschen, die zu Hause versorgt werden.

So werfe die Coronakrise immer wieder Fragen des ethisch angemessenen Umgangs mit einer möglichen Ressourcenknappheit auf. Dabei gehe es auch um die Frage nach der medizinischen Erfolgsaussicht einer Behandlung. Nicht jede Therapie mache in jeder Situation Sinn – und sei auch nicht immer gewollt, so Marckmann. Die Frage nach der angemessenen Behandlung sei auch immer eine Frage nach dem Willen des Patienten: Sorgfältige Vorausplanungen für die gewünschten Behandlungen im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung seien daher ebenso wichtig wie verlässliche Instrumente für Ärztinnen und Ärzte in Notfallsituationen. Prof. Marckmann verwies in dem Gespräch mit Frank Kittelberger auch auf zwei Papiere, an deren Erstellung er im Kontext mehrerer Fachgesellschaften mitgewirkt hat: „Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie“ und „Möglichkeiten und Grenzen von Ethikberatung im Rahmen der COVID-19-Pandemie“.

Das vollständige Gespräch finden Sie auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Akademie Tutzing (#EATutzing) Unter dem Format „RotundeTalk“ sprechen wir mit Menschen aus Politik, Kultur und Gesellschaft über ihre Erfahrungen im Umgang mit der Corona-Pandemie, über die Herausforderungen dieser Krise und wie es danach weitergehen könnte.

Hinweis:
Studienleiter Frank Kittelberger ist auch Autor für unseren Rotunde-Blog (hier klicken). Neben unserem Podcast „Seefunken“ (zum Link) und unserem monatlichen Newsletter ist dieser Blog ein weiteres Beispiel der Diskurskultur der Evangelischen Akademie Tutzing.

Bild: Prof. Dr. Georg Marckmann (Foto: ma/eat archiv)

Prof. Dr. Georg Marckmann im Gespräch mit Pfr. Frank Kittelberger, Studienleiter an der Evangelischen Akademie Tutzing für Ethik in Medizin und Gesundheitswesen, Pastoralpsychologie und Spiritual Care (Foto: ma/eat archiv)

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