Ilse Aigner: Zusammenhalt als zentrale Aufgabe der Gesellschaft

„Suchet der Stadt Bestes; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl“, war das Zitat aus dem Alten Testament, unter das die bayerische Landtagspräsidentin ihre Kanzelrede stellte.

Gleich zu Beginn ihrer Rede reagierte Ilse Aigner auf den Terroranschlag von Halle in der Woche zuvor, der klar antisemitische Ziele verfolgte und der zwei Menschenleben gefordert hatte. „Antisemitismus hat bei uns keinen Platz!“ sagte Aigner. Sie sieht jeden einzelnen Menschen in der Pflicht, aufzustehen gegen Antisemitismus. Niemandem dürfe es egal sein, wenn etwa Volksverhetzung vor Gericht nicht scharf genug geahndet würde, wenn jüdische Geschichte, Religion und der Staat Israel nur mangelhaft in den Schulen behandelt würden, wenn in den sozialen Medien Hass geschürt werde und wenn der Schutz jüdischer Mitmenschen und Einrichtungen nicht mehr gewährleistet sei.

Dieses „Nicht-egal-sein-dürfen“ war die Überleitung zu Aigners eigentlichem Thema der Kanzelrede, das Zitat des Propheten Jeremia „Suchet der Stadt Bestes; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl“ (29,7). In der Essenz bedeute dies: „Jeder muss seinen Teil zum Gemeinwohl beitragen, ansonsten richtet es sich gegen ihn.“

Klare Absage an Populisten

Als paradox beschrieb es Aigner, dass in Bayern das wirtschaftliche Wachstum so hoch sei wie noch nie zuvor, viele am Wohlstand teilhätten, die öffentlichen Haushalte gut befüllt seien – und es gleichzeitig so viel Unzufriedenheit gebe. Besonders den Aufstieg von Populisten und geistigen Brandstiftern sieht Aigner mit Sorge. Dennoch wehrt sie sich dagegen, von einer „Krise der Demokratie“ zu sprechen. Was es dagegen sehr wohl gäbe, sei „reichlich Stoff zum Nachdenken, wenn es um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft geht“.

In ihrer Kanzelrede ging Aigner mit Populisten und populistischen Parteien wie der AfD hart ins Gericht. Nicht das Allgemeinwohl stärken sei das Ziel der Populisten, sondern Aufmerksamkeit für sich selbst und das gegeneinander Aufbringen der verschiedenen gesellschaftlichen Vertretergruppen. An ihren Worten und Taten sollte man sie messen – und auch an ihrer Sprache, die ebenfalls Handlung sei. „Von der sprachlichen Verächtlichmachung bis zur wahnsinnigen Tat ist es heute kein weiter Weg mehr.“, so Aigner. Beleg dafür sei etwa der Terroranschlag von Halle.

Udo Hahn, Pfarrer und Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, erinnerte in seinen Begrüßungsworten an die historischen Umstände, unter denen das Zitat von Jeremia entstand. Er hatte sich damit vor 2.500 Jahren an das Volk Israel gewandt, das sich in der babylonischen Gefangenschaft befand. Im Jahre 597 vor Christus war Jerusalem erobert und der größte Teil der Menschen verbannt worden. „Fern der Heimat, ohne Aussicht auf Rückkehr – das Exil wird erst nach sechzig Jahren enden – sind die Verbannten wie gelähmt, traumatisiert. Ihre Lage ist trostlos, sie wissen nicht weiter und können ihr Entsetzen kaum bewältigen“, so Hahn. In dieser Lage habe Jeremia den Menschen wieder eine neue Perspektive vermitteln wollen. Udo Hahn übersetzt es so: „Pflanzt Bäume, baut Häuser, gründet Familien. Macht das, was gerade möglich ist. Lasst euch nicht einflüstern, wie schlimm alles ist, sondern packt an.“

Die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner gab den Worten Jeremias auch heute Recht. „Es kostet Zeit. Es kostet Geduld. Es kostet Geld. Es kostet Kraft. Und am Ende bekommt nicht jeder, was er ursprünglich gewollt hat. Aber er kann – zumindest in den allermeisten Fällen – ganz gut damit leben“, sagte Ilse Aigner. Es lohne sich also, den Einsatz für die Allgemeinheit fortzusetzen.

Dorothea Grass

Weiterlesen und -hören:

Hier können Sie die vollständige Kanzelrede von Ilse Aigner nachlesen.

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Die Begrüßungsrede von Akademiedirektor Udo Hahn lesen Sie hier.

Hinweis:
Die Evangelische Akademie Tutzing organisiert die Kanzelreden in Zusammenarbeit mit ihrem Freundeskreis zweimal pro Jahr in der Erlöserkirche in München-Schwabing. Die nächste Kanzelrede findet am 8. März 2020 statt. Dann wird die Regisseurin und Autorin Doris Dörrie sprechen.

Bild: Ilse Aigner während ihrer Kanzelrede am 20.10.2019 in München. (Foto: Haist/eat archiv)

Von links: Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, Ilse Aigner, Präsidentin des Bayerischen Landtags, und Brigitte Grande, Vorsitzende des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing. (Foto: Haist/eat archiv)

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