Hoffnung, die nicht vertröstet, sondern motiviert
Jürgen Moltmann gilt als Jahrhundert-Theologe im doppelten Wortsinn: Er steht in einer Reihe mit großen theologischen Denkern, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch international Beachtung fanden. Anfang Juni ist er im 99. Lebensjahr gestorben. Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, erinnert an einen Vordenker, der mit seiner “Theologie der Hoffnung” prägend wirkte.
“Freude ist die Kraft zum Leben, der Schwung zur Liebe und die Lust am schöpferischen Anfang. Die Auferweckung des gekreuzigten Christus macht das ganze Leben zu einem festlichen Leben, zu einem gotterfüllten Leben und zu einem Sterben in die Freude Gottes hinein.” Mit diesen Worten schloss Jürgen Moltmann seine Dankesrede, als er 2017 mit dem “Tutzinger Löwen” der Evangelischen Akademie Tutzing geehrt worden war. “Wir leben in die Auferstehung hinein, nicht in den Tod”, bekannte er anlässlich seines 95. Geburtstags, was man als Kurzfassung seines Schlussworts in Tutzing verstehen kann. Moltmann war ein zutiefst frommer Zeitgenosse, der mit seiner “Theologie der Hoffnung” den schier unerschütterlichen Glauben an eine bessere und gerechtere Welt ausdrückte. Dabei formulierte er eine Hoffnung, die nicht vertröstet, sondern motiviert – zur Mitgestaltung in Politik und Gesellschaft.
In seiner Dankesrede kritisierte er 2017, dass die bürgerliche Welt Religion zur Privatsache erklärt habe, um den öffentlichen Raum vor religiösen Einsprüchen frei zu halten. “Eine christliche Politische Theologie wird heute die Gemeinschaft der Menschheit in den universalen Gefahren stärken und eine Kultur des Lebens gegen das universale Töten fördern”, so Moltmann, der vor einem Widererstarken eines “völkischen Nationalismus” in Deutschland warnte. Je mehr die globalen Gefahren wüchsen, desto weniger seien die partikularen Nationen in der Lage, den Frieden zu sichern. “Die Globalisierung der Lebenswelten ruft nach globaler Verantwortung der Menschheit.”
Seine theologischen Studien hatte Moltmann in englischer Kriegsgefangenschaft begonnen. Von 1953 bis 1957 arbeitete er in Bremen als Pastor, danach wurde er Professor an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal und anschließend an der Universität Bonn. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte er Systematische Theologie und Sozialethik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.
Seine 1964 erschienene “Theologie der Hoffnung” gehört zu seinen einflussreichsten Werken, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und hat Theologen weltweit beeinflusst. Weitere bekannte Werke Moltmanns sind “Der gekreuzigte Gott” (1972) und “Kirche in der Kraft des Geistes” (1975). Er war mit der feministischen Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel verheiratet, die 2016 starb.
Jürgen Moltmann verarbeitete, was die Theologie der Befreiung, was Politische Theologie, aber auch Ökologische Theologie und die Feministische Theologie (zusammen mit Elisabeth Moltmann-Wendel) an Fragen stellten: im Licht der alltäglichen Erfahrungen von Armut, Leid und Ungerechtigkeit. Seine Antwort: Den Blick für Gottes Möglichkeiten schärfen und Verantwortung übernehmen.
“Frömmigkeit muss wache politische Zeitgenossenschaft nach sich ziehen. Dafür steht der Name Jürgen Moltmann.” Mit diesen Worten würdigte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in seiner Laudatio Jürgen Moltmann. Mit seiner Politischen Theologie mache er klar, “dass es bei dem politischen Reden der Kirche nicht darum gehen kann, bestimmten politischen Konzepten einen Heiligenschein zu geben, sondern darum, Grundorientierungen des christlichen Glaubens diskursiv in die politischen Debatten der Gegenwart einzubringen”.
Kritisch setzte sich Moltmann auch mit modernen Religionstheorien auseinander, die – wie Karl Marx – Religion als “Opium des Volkes” betrachteten, um das Elend zu vergessen. Auch bestritt er die Volksweisheit, dass Not Beten lehre. “Nichts davon ist wahr. In Wahrheit ist Religion das Fest, in dem das Leben gefeiert wird, und Beten ist zuerst ein Jubel über das Glück des Daseins.” Freude sei der Sinn alles Lebens. “Das Christentum ist eine einzigartige Religion der Freude”, hob Moltmann hervor.
Udo Hahn
Der Autor ist Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing.
(Beitrag unter Verwendung von Material des epd)
WEITERE INFORMATIONEN:
- Artikel anlässlich der Verleihung des Tutzinger Löwen am 5.11.2017 an Jürgen Moltmann hier lesen.
- Laudatio auf Jürgen Moltmann anlässlich der Verleihung des “Tutzinger Löwen”
von dem damaligen Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm sowie Dankesrede von Jürgen Moltmann hier als PDF abrufen.