Hat Europa eine Zukunft?
Hat Europa eine Zukunft?
Leutheusser-Schnarrenberger und Grande halten „Tutzinger Rede“
Die Europäische Union (EU) wird aus der Direktwahl zum Europäischen Parlament im nächsten Jahr gestärkt hervorgehen. Diese Überzeugung vertrat Bundesjustizministerin a. D. Sabine Leutheusser Schnarrenberger am 7. Mai in der Evangelischen Akademie Tutzing. Dafür müssten jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein. In ihrer „Tutzinger Rede“ über die Zukunft Europas beklagte sie, dass Euroskeptiker derzeit das Meinungsbild prägten. Sie beobachte bei vielen Politikern „eine Schere im Kopf und die Angst, als proeuropäisch zu gelten“. Auch fehle ihr in den Debatten die Empathie, die den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, auszeichne, der für ein stärkeres Europa werbe. „Darauf muss die Bundesregierung endlich reagieren – und mehr Initiative zeigen.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel habe dazu am 10. Mai die Gelegenheit, wenn sie die Laudatio auf Macron bei der Karlspreis-Verleihung in Aachen halte.
Aktuell sieht Leutheusser-Schnarrenberger die Gefahr, dass Europa sich zurück entwickle sich auf wirtschaftliche Anliegen des Binnenmarktes konzentriere. „Dabei hat Europa einen höheren Anspruch.“ Problematisch seien für sie der wachsende Rechtspopulismus und die schleichende Aushöhlung der „Wertegemeinschaft Europa“ durch Entwicklungen in Ungarn und Polen. „Auch die EU lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann“, so die frühere Bundesjustizministerin.
Auch der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Edgar Grande wagte einen optimistischen Ausblick, schränkte aber ein: „Wenn es in den kommenden Jahren nicht gelingt, politische Mehrheiten für Europa zu mobilisieren, gerade auch in Deutschland, dann wird Europa keine Zukunft haben“, sagte der Gründungsdirektor des Zentrums für Zivilgesellschaftsforschung am Wissenschaftszentrum Berlin. Wie Leutheusser-Schnarrenberger würdigte Grande Macrons europapolitischen Ideen, sieht die EU aber in einer Selbstblockade gefangen aufgrund von Interessenskonflikten zwischen den Mitgliedstaaten. „Europa muss sich ändern, kann aber nicht.“ Überdies seien die Bürger euroskeptischer geworden.
Die „Tutzinger Rede“ ist ein gemeinsames Format der Evangelischen Akademie Tutzing und des Rotary Clubs. Sie wurde bereits zum siebten Mal veranstaltet. Sie widmete sich bislang Themen wie Demokratie, Gesellschaft, Wirtschaft und Integration.
Die Rede von Prof. Dr. Edgar Grande können Sie hier nachlesen.
Den Audiomitschnitt der Rede von Prof. Dr. Edgar Grande finden Sie hier.
Den Audiomitschnitt der Rede von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger finden Sie hier.
Begrüßte die 200 Gäste im Musiksaal der Akademie: Dieter Becker, künftiger Präsident des Rotary Clubs Tutzing
Bezeichneten sich selbst als “realistische Optimisten”: Prof. Dr. Edgar Grande (l.) und Bundesministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Moderierte die Gesprächsrunde: Akademiedirektor Udo Hahn (l.) mit Prof. Dr. Edgar Grande, Bundesministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Dieter Becker vom RC Tutzing