Gert Heidenreich zum Siebzigsten
Gedankenverloren sitzt er vor dem alten rustikalen Haus in der Normandie, an dem er fünf Jahre lang gebastelt hatte, bis es bewohnbar war. Er nippt an dem von ihm so sehr geschätzten Rotwein, dazu ein Stückchen Käse. Die Bäume spenden etwas Schatten in der heißen Vormittagssonne, vor der ihn ein Strohhut auf dem Kopfe schützt, wie er später erzählte. Er soll einen Beitrag für die „Tutzinger Blätter“, die kleine Akademiezeitschrift, schreiben, so hatte der Pressereferent ihn gebeten. Thema: Literatur. Zensur. Verfolgung.
Eigentlich verspürt der vielfach mit Medienpreisen ausgezeichnete Schriftsteller, Autor und Rundfunksprecher, der sich gerade den Freuden seines wohlverdienten Sommerurlaubs hingibt, überhaupt keine Neigung dazu. Doch dann greift er doch zum Stift. Schreibt Zeile um Zeile. Greift gelegentlich zum Rotweinglas und formuliert weiter. Der Artikel für die Akademiezeitschrift soll aufrütteln, soll den Leser im Innersten bewegen. Es soll etwas von bleibendem Wert sein: „Sire, Geben Sie Gedankenfreiheit!“ – Vermutungen über die Macht des Wortes – so nennt Gert Heidenreich sein opus magnum. Über mehrere Seiten hinweg entwirft er seine philosophischen Betrachtungen über Denkverbote, Schreibverbote, Bücherverbrennungen und die Zensur, um dann abschließend zu der Konklusion zu gelangen: „Dass die Zensoren noch immer gegen alle geschichtliche Erfahrung glauben, sie könnten ein Wort, das einmal in der Welt ist, wieder zurückholen oder die Ideen und die Kunst eines Schriftstellers mit seinem Leben auslöschen, spricht für die sture Dummheit des Zensurgewerbes und seiner vielen brutalen Helfer. Ihnen entgegenzutreten, war und ist eine der Pflichten der Freiheit.“ Die begeisterten Leserzuschriften der „Tutzinger Blätter“ bezeugten – hier hat ein Schriftsteller ein wahres Wort gelassen ausgesprochen.
Seit Jahrzehnten begleitet Gert Heidenreich die Arbeit der Akademie mit großer Aufmerksamkeit. Er spendet Zuspruch und liefert kritische Denkanstöße. Und er ist ein geschätzter Referent.
Wenn Heidenreich in der Rotunde der Akademie spricht, dann lauscht das Publikum. Es ist nicht nur das tiefe Timbre seiner Stimme, das ihn als hervorragenden Sprecher auszeichnet. Vor allem sein Gespür für die Gestaltung literarischer Texte macht ihn zu einem der besten Interpreten für Hörbuchproduktionen. Seit Anfang der 70er Jahre schreibt er erfolgreich Theaterstücke, Hörspiele, Romane, Lyrik und Erzählungen wie “Die Steinesammlerin von Etretat” und – gerade im Droemerverlag erschienen – “Die Andere Heimat”. Diese Erzählung ist aus der Zusammenarbeit mit Edgar Reitz entstanden. Reitz hatte Heidenreich gebeten, gemeinsam mit ihm das Drehbuch zum gleichnamigen Kinofilm zu schreiben, der zu Jahresbeginn mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde.
Am 30. März 2014 wird Gert Heidenreich 70 Jahre alt. Alles Gute zum Geburtstag!
Axel Schwanebeck
Foto: Der Akademie sehr verbunden: der Schriftsteller, Autor und Radiosprecher Gert Heidenreich.
Bildquelle: eat archiv