Ein digitales Wir-Gefühl

In einem Comic oder Slam-Text die eigenen Visionen als junge Generation auszudrücken und mit Improtheater als Jugendlicher die vielfältige Gesellschaft neu erleben – das war das Tagungsziel  von „Meet online & be creative – für ein neues digitales Wir“. Nach der Absage der analogen Tagung hatte Studienleiterin Julia Wunderlich kurzerhand ein digitales Format konzipiert. Für die Evangelische Akademie Tutzing war es eine Premiere: die erste Onlinetagung in der Geschichte der Akademie.

Die ursprüngliche Tagung „Meet & be creative“ hätte am 29. März stattfinden sollen. Nach der Absage der analogen Tagung in Tutzing war klar, dass die sie dennoch stattfinden soll – in Form einer Onlinetagung. 45 Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren nahmen am neuen Online-Format „Meet online & be creative! Für ein neues digitales Wir“ teil. In der dreistündigen Tagung am 5. April probierten sie die künstlerischen Ausdrucksformen Comic, Poetry Slam und Improvisationstheater (kurz Improtheater) per Videokonferenz mit vier Kunstschaffenden aus, kreierten Gemeinschaftskunstprojekte, diskutierten ihre Thesen und fanden als Jugendgruppe enger zusammen.

Die Onlinetagung des Jungen Forums der Akademie bot den digitalen Rahmen, künstlerische Freiheit zu erleben. Diesen Rahmen schmückten die Jugendlichen mit ihrer Kunst selbst. „Es braucht die Kunst, mit Unbekanntem umzugehe: alleine zuhause, online im Wir. Ein neues Wir-Gefühl.“, so Julia Wunderlich. Die Referierenden produzierten vor der Tagung rasch extra Webvideos für die jungen Tagungsgäste. Mit diesen Tutorials zu Comic, Poetry Slam und Improtheater stimmten sie diese auf die Workshops und die Onlinetagung ein. Damit konnten die Jugendlichen entscheiden, für welchen Workshop sie sich anmelden möchten. Gehostet wurde die Videokonferenz von der IT-Abteilung der Akademie. Die Tagungskooperation mit dem Jugendteam der Islamischen Gemeinde Penzberg und der Evangelischen Gemeinde Tutzing konnte auch in das digitale Format übersetzt werden.

Motor für Demokratie

Kunst und die Ausdrucksfähigkeit junger Menschen in jugendkulturellen Medien bleiben ein zentraler Motor für Demokratie. Das gemeinsame Schaffen und Miteinanderteilen von Kunst und eigener Kreativität schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt, schreibt auch der Politikwissenschaftler, Journalist und Politiker Dr. Carsten Brosda in seinem Buch „Die Kunst der Demokratie. Die Bedeutung der Kultur für eine offene Gesellschaft“. Die Tagungskooperation bei „Meet online & be creative“ betonte den Wert des künstlerischen Diskurses für ein plurales Wir. „Es liegt an euch, wie der Tag wird. Ihr bestimmt das Ergebnis.“, so die Botschaft des Jugendteamleiters der Islamischen Gemeinde Penzberg, Elmedin Djulic, an die jungen Tagungsgäste. Pfarrerin Dorothee Geißlinger-Henckel fügte hinzu: „Ich wünsche mir, dass wir uns im virtuellen Raum treffen, ganz anders, aber dass es trotzdem funktioniert einander zu begegnen, auch neue Leute kennenzulernen und zusammen zu überlegen: Was passiert gerade bei uns in der Welt, in unserer Gesellschaft? Und dass Ihr vor allem Spaß daran habt, etwas auszuprobieren.“ In der aktuellen Ausnahmesituation sei ein kreatives Angebot der politischen Jugendbildung besonders wichtig, auch als Ausgleich zum Home Schooling, so die Tagungsleitung Julia Wunderlich.

In der Onlinetagung fanden sich alle vorab in der Videokonferenz ein, um das Funktionieren der Technik sicherzustellen. Mit Warm-Ups und Kennenlernspielen begann die Veranstaltung. Schließlich sind Videokonferenzen für Jugendliche ein neueres Format als für einige Erwachsene im aktuellen Home Office-Alltag. Im virtuellen Plenum führte Julia Wunderlich ins Tagungsthema ein:  jugendpolitische Kunst und das Erleben eines gemeinsamen Kunstschaffungsprozesses. Rasch ging es dann in die Praxis und ins Kunsterleben. In vier virtuellen Workshopgruppen, fanden sich die Jugendlichen mit ihrem Kunst-Coach in Kleingruppen zusammen. Interaktiv lernten sie am Bildschirm mit den Referierenden das Handwerkszeug für die Kunstformen Comic, Poetry Slam und Improtheater.

Ideen, Schaffenskraft und Gemeinschaftsgefühl im Virtuellen

Der Workshop „Poetry Slam“ wurde von dem Münchner Slammer Philipp Potthast (Gewinner der bayerischen Poetry Slam-Landesmeisterschaft 2019) angeleitet. Die Illustratorin und Graphic Recorderin Kathrin Rödl leitete den Comic-Workshop und zum Thema Improtheater gab es gleich zwei Workhops: Einen mit dem Schauspieler und Mitglied des Ensembles „Bühnenpolka“ Adrian Klein und einen mit Tobias Zettelmeier, der als Theaterwissenschaftler der künstlerische Leiter von „Bühnenpolka“ ist sowie der Organisator des ersten Münchner Improfestivals „Improvember“.

In den Workshops konnten die Tagungsgäste spielerisch und kreativ das zum Ausdruck bringen, was sie aktuell bewegt und mit anderen darüber ins Gespräch kommen. Dabei ging es zum Beispiel um ihre Erfahrungen mit der Pandemiesituation oder auch Perspektiven auf klimapolitischen Debatten.

Es wurde klar: Diese künstlerische Herangehensweise an alltägliche Ereignisse und Interaktion in der Jugendgruppe gelingt nicht nur im Analogen, sondern auch im Netz. Ganz praktisch übten die 13-bis 19-Jährigen miteinander, arbeiteten gemeinsam Kunstwerke aus und diskutierten die gesellschaftlichen Themen, die dabei künstlerisch sichtbar wurden. Nach der virtuellen Kaffeepause präsentierten die Jugendlichen im anschließenden Onlineplenum ihre Werke und es ergab sich eine tiefere Debatte über den gesellschaftspolitischen Kontext der angesprochenen Themen.

Nach dem diesem Nachmittag voller Ideen und Schaffenskraft im virtuellen Raum, äußerten viele der Jugendliche den Wunsch, bald wieder an einer Onlinetagung des Jungen Forums der Evangelischen Akademie Tutzing teilnehmen zu wollen. Das Zukunfts-Lab wird im Frühjahr mit dem Tagungsthema um Umweltpolitik, Ethik & Digitalisierung im Onlineformat von und für junge Menschen angeboten. Auch um wieder ein digitales Wir-Gefühl zu erleben.

Die Onlinetagung „Meet online & be creative für ein neues digitales Wir“ wurde über das Projekt „Alles Glaubenssache“ der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Dorothea Grass, Pina Vetter, Julia Wunderlich

 

Hinweis:

Einen ausführlicher Bericht zur ersten Online-Tagung können Sie in dieser Ausgabe der “Tutzinger Thesen” nachlesen.
Auf unserem YouTube-Kanal finden Sie einen kurzen Videobericht zur Tagung. Hier können Sie ihn ansehen.

Bild: Superhuman von Nele R., enstanden im Comic-Workshop

Dieser Slam-Text entstand im Poetry-Slam-Workshop gemeinsam mit den Jugendlichen der Online-Tagung „Meet online & be creative für ein neues digitales Wir“ gemeinsam mit dem Coach und Münchner Slammer Philipp Potthast. (Quelle: eat archiv)

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