“Edelgaserlebniszentrum Kötzschenbroda” und Erlebnisse eines “Einzelessers”
Nur wenige kommen so unterhaltsam “vom Ästchen aufs Stöckchen” und halten den Menschen dabei den Spiegel vor wie Max Goldt. Der Satiriker, Autor und Humorist, der vor allem Leserinnen und Lesern der “Titanic” bekannt sein dürfte, begeisterte auch das Publikum in der Evangelischen Akademie Tutzing.
Ein Tisch mit schwarzer Tischdecke, eine Leselampe, eine Flasche Wasser und einen Stapel Papier (Ausdrucke seiner Texte, für die er zum Teil die leeren Rückseiten seiner schriftliche Korrespondenzen recycelte): Mehr brauchte der Autor Max Goldt nicht, um sein Publikum an der Evangelischen Akademie Tutzing zwei Stunden lang zu unterhalten.
Dabei las Max Goldt aus Texten und “Comic-Szenarien” der vergangenen 25 Jahre vor. Die “Comic-Szenarien” veröffentlicht er seit 1996 gemeinsam mit dem Zeichner Stephan Katz – sowohl in der Satirezeitschrift “Titanic” als auch auf der gemeinsamen Homepage Katz&Goldt. Die Welt als Comic: lustig, satirisch, manchmal auch böse sind die Beobachtungen von Max Goldt, ob aufgeschrieben oder mit Bildern. Die Sprache ist sein besonderes Vergnügen (und das seines Publikums) und die Themen, die er aufgreift, sind manchmal überraschend von Dauer.
So las er etwa einen Text aus dem Jahr 1997, in dem er sich über die abwertende Benutzung des Begriffes “Warmduscher” lustig macht – in einer Zeit, in der die meisten Menschen genau das tun, obwohl kalt duschen energiepolitische aber auch gesundheitliche Vorzüge hat. In einem weiteren Text ging es um einen Besuch im Jahr 2004 in Katar, der den Titel “Charlys Tante in der Wüste” trug und der Bemühungen und Gebaren einer Tourismusbeauftragten des Wüstenstaates auseinanderziselierte.
Sprache ist eines seiner Herzensthemen. Warum benutzen wir das Wort Fan mit positiver Konnotation, obwohl es von “fanatisch” kommt? Warum schreiben Medien immer wieder von “Dunkelziffern”, obwohl das keinen Sinn ergibt? Es erstaunt nicht, dass Max Goldt auch die Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache humoristisch aufgreift. In seinem Comic-Szenario “Edelgaserlebniszentrum Kötzschenbroda” verarbeitet er den Begriff Hurensohn und fragt nach den Strichjungentöchtern – die sich in seinem Szenario, im Kulturhaus Tivoli in Kötzschenbroda, dann direkt auch zu Wort melden. Zum ersten Mal las Max Goldt diesen Text öffentlich vor – diese Premiere, die in einer Evangelischen Akademie stattfand, war ihm einen besonderen Hinweis wert, nicht ohne amüsiertes Zucken im Mundwinkel und nicht ohne Goutieren des Publikums.
Das Teilhaben an der Gedankenwelt von Max Goldt – ob bei der Craniosakraltherapie, beim “Einzelessen” mit “invasiver Familie” im Raum, beim Abendessen zweier Paare (Titel: “Hausaufgaben”) – ist ein großes Vergnügen. Oder um es mit seinen Worten zu schreiben: “Entlarve ich gerade oder bin ich am Sezieren?”.
Dorothea Grass
Mehr lesen:
Zeitungsartikel von Armin Greune aus der Süddeutschen Zeitung vom 19. Januar 2023 hier abrufen.
Bild: Lesung im Musiksaal der Evangelischen Akademie Tutzing am 17. Januar 2023 mit Max Goldt (Foto: dgr/eat archiv)
Akademiedirektor Udo Hahn mit Max Goldt (links im Bild), der sich nach seiner Lesung noch Zeit nahm, um im Foyer Bücher zu signieren und mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. (Foto: dgr/eat archiv)