Diversity Tag – Barrierefreies Internet & Bildungsgerechtigkeit
von Pressestelle × am 31. Mai 2022Zehn Jahre Diversity Tag! Die Charta der Vielfalt verkündet das Motto “Let’s celebrate Diversity”. Mit dem feierlichen Motto stehen für Studienleiterin Julia Wunderlich aber auch ungleiche und diskriminierende Strukturen im Fokus: 1. Wie gibt es mehr Bildungsgerechtigkeit? 2. Wie gelingt ein Grundrecht für Barrierefreiheit, ob im Netz oder mit rollstuhlgerechten Orten?
von Julia Wunderlich
Die Charta der Vielfalt verkündete den Deutschen Diversity Tag erstmals am 31. Mai 2012. An diesem Tag soll ein Bewusstsein für Diversität verstärkt werden. Unter dem Konzept der Diversity versteht man unter anderem die Facetten Alter, Nationalität, Religion/Weltanschauung oder Behinderung.
Bildungsgerechtigkeit & Diversity
Das Alter ist eine der Dimensionen im Diversity-Konzept. Ungleichheiten sind in Biografien und gesellschaftlichen Systemen, wie der Schule, schon in jungen Jahren zu erkennen. Der Zugang zu Bildung ist nicht für alle Kinder und Jugendlichen gleich. Die Corona-Pandemie hat dies noch einmal verschärft: Nicht alle Schüler:innen hatten für das Homeschooling einen eigenen PC zuhause oder stabiles Internet. Der Einfluss von Armut auf Bildung wurde hier als Form des Klassismus noch einmal deutlich. Zur Bildungsgerechtigkeit beziehungsweise Bildungsungerechtigkeit, forscht Prof. Dr. Karim Fereidooni, Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum. Für ihn geht es um eine Sensibilität für Diversität für Lehrpersonal in Bildungsinstitutionen. Schüler:innen mit bestimmten Diversitätsfacetten würden oft als “fremd” betitelt werden, so Fereidooni. Dieses Phänomen nennt sich Othering. Die Folge ist weiterhin die mangelnde Chancengleichheit im Schulsystem. So brauche es, neben einigen individuell sehr engagierten Lehrkräften in diesen Themen, auf der strukturellen Ebene eine Verankerung von rassismuskritischen und diversitätssensiblen Ausbildungen für Lehrkräfte, so Fereidooni. Denn strukturelle Verankerungen könnten ein Diversity Mainstreaming im Bildungssystem bewirken.
Barrierefrei im Internet & mit Rollstuhl
Behinderung ist eine weitere Facette im Konzept Diversity. Immer noch gibt es keine Barrierefreiheit, ob analog oder digital. Die Initiative #barrierefreiPosten setzt sich als Team von Menschen mit und ohne Behinderungen seit Ende 2019 für digitale Barrierefreiheit ein. Ziele sind Teilhabe und neue Zugänge, unter anderem bei Social Media. Um barrierefrei zu posten, können zum Beispiel Untertitel bei Videos verwendet werden. Auch eine Bildbeschreibung unterstützt den Zugang zu Wissen und Verständnis der Bildsprache im Digitalen. Dadurch entsteht ein inklusives, barrierefreies Internet für die Nutzenden, so die Initiative.
Für Inklusions-Aktivist Rául Krauthausen ist das Hauptziel, die Barrierefreiheit als Grundrecht einzufordern. Das Behindertengleichstellungsgesetz ist hier noch optimierbar, so Krauthausen. Die Gesetze zur Barrierefreiheit von Gebäuden sollten aber so streng sein wie beim Brandschutz, fordert er in einem Interview des Deutschlandfunks. Krauthausen engagiert sich durch eine Synergie digitaler Tools für analoge Barrierefreiheit. Die App Wheelmap.org nutzt digitale Karten um rollstuhlgerechte Orte zu zeigen. Teilhabe bedeutet hier, dass diese App neben Rollstuhlfahrer:innen auch für Menschen mit Rollator oder mit Kinderwagen barrierefreie Mobilität ermöglicht. In 33 Sprachen wird diese App weltweit seit 2010 genutzt. Jede:r kann weitere Orte in die Karte eintragen und das Open-Source-Projekt kostenfrei nutzen.
Die Forderung der Barrierefreiheit als Grundrecht zeigt die politische Ebene des Konzepts Diversity auf, neben der zuvor skizzierten individuellen und strukturellen Ebene. Die Europäische Kommission setzt mit ihrer Preisverleihung “Europäische Hauptstädte der Vielfalt und Integration” eine von vielen möglichen politischen Veränderungen um. Diversity kann mit dem Preis sichtbar und politisch unterstützt werden. Die Europäische Kommission verlieh den Preis dieses Jahr an die Stadt Köln. Mehr als 80 europäische Städte hatten sich 2022 für den Preis beworben.
Am Diversity Tag wird das diesjährige Motto “Let’s celebrate Diversity” gefeiert. Gleichzeitig sollte an dem Tag über ungleiche und diskriminierende Strukturen diskutiert werden – ob über Bildungsgerechtigkeit und schulische Chancengleichheit oder über Barrierefreiheit im Netz und rollstuhlgerechte Orte: “Let’s celebrate Diversity”.
Quellen:
- Fereidooni, Karim / Massumi, Mona (2015): Rassismuskritik in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, in: Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de, CC BY-NC-ND 3.0 DE.
- Krauthausen, Rául (2018): “Wir brauchen so strenge Gesetze wie beim Brandschutz”, im Interview des Deutschlandfunks)
Das Förderprogramm “Integration durch Qualifizierung” des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unterstützt das Vorhaben des Diversity Tags.