“Diverse Teams arbeiten innovativer und effektiver”

Mehr Frauen in MINT-Berufe! Für diese Forderung steht auch Marion Zeßner, Geschäftsführerin der Femtec GmbH, einer internationalen Karriereplattform für Frauen* in IT, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Marion Zeßner wird Anfang März auf der Tagung “Abitur – und dann?” bei uns zu Gast sein. Studienleiterin Julia Wunderlich hat ihr vorab ein paar Fragen gestellt.

Julia Wunderlich: Ihr Netzwerk Femtec ist die internationale Karriereplattform für Frauen* in IT, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Sie gewinnen damit weiblichen* Führungskräfte-Nachwuchs für MINT-Berufe, also aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.  In Ihrem Vortrag auf der Tagung “Abitur – und dann?” werden Sie Femtec vorstellen. Wer gründete warum dieses Netzwerk? Und: welche Möglichkeiten und Wirkungen hat Femtec für MINT-Talente?

Marion Zeßner: Den “Startschuss” zur Gründung der Femtec in 2001 gab die TU Berlin, da der Anteil von Studentinnen in den MINT-Studiengängen an der TU Berlin verschwindend gering war und darüber hinaus eine hohe Quote von Studienabbrecherinnen vorlag. Auf der Grundlage entwickelte die EAF Berlin ein Konzept für ein studienbegleitendes Entwicklungs- und Vernetzungsprogramm für MINT-Studentinnen, welches diese während ihres Studiums in Kontakt mit großen Technologie-Unternehmen brachte. So hatten die jungen Frauen nach Abschluss ihres Studiums einen optimalen Karriereeinstieg. Dieses Career-Building Programm ist seit über 20 Jahren immer noch Herzstück der Femtec und wird mittlerweile an neun führenden deutschen technischen Universitäten angeboten. Mittlerweile haben über 1.500 Frauen das Programm abgeschlossen und bilden das lebendige und unterstützende Netzwerk der Femtec-Alumnae. Unsere Absolventinnen arbeiten in Entscheidungspositionen in der Wirtschaft, sind erfolgreiche Start-Up-Gründerinnen oder MINT-Professorinnen. Diese Femtec-Alumnae sind ihrerseits Vorbilder, um noch mehr junge Frauen für ein MINT-Studium zu begeistern und auf ihrem Karriereweg zu unterstützen.

Warum engagieren Sie sich für die Förderung von Frauen* in Tech-Jobs? Gab es dafür Schlüsselmomente in Ihrer Biografie?

Die Begeisterung für “Frauen in Tech” hat sich erst während meiner Arbeit in der Femtec entwickelt – ich selbst habe ja keinen MINT-Hintergrund, sondern habe auf Lehramt Anglistik und Pädagogik studiert sowie vor meinem Studium eine kaufmännische Ausbildung gemacht und einige Jahre in einem Unternehmen gearbeitet. Mich hat dabei immer gestört, dass Frauen und Männer in der Arbeitsweilt gleichberechtigt sind, die Männer hatten nach unserer Ausbildung viel bessere Karrierechancen. Und in den Familien herrschte zu meiner Kindheit und Jugend auch eine sehr traditionelle Arbeitsteilung vor – der Mann ging arbeiten, die Frau kümmerte sich um den Haushalt und die Familie. In meinem Studium habe ich mich erstmals konkret mit den Themen der Gleichstellung beschäftigt – das hat mich so begeistert, dass ich am Ende nicht Lehrerin geworden bin. Das Empowerment von Frauen und die Gestaltung des großen Femtec Netzwerks und der Kontakt zu den Femtec-Alumnae begleiten mich so seit vielen Jahren.

Frauen* fehlen in MINT-Jobs. Wird Ihrer Meinung nach politisch genug gemacht um Chancengleichheit zu erreichen? Falls nicht, was würden Sie sich politisch noch wünschen?

Wenn ich an das Gründungsmoment der Femtec denke, hat sich in den letzten 20 Jahren schon sehr viel getan – der Anteil von Studentinnen in den MINT-Fächern hat sich erhöht – ist aber noch längst nicht auf dem Level der männlichen Studierenden. Aber es ist essenziell, dass Frauen den technologischen Fortschritt aktiv mitgestalten – uns brennen dabei so viele Themen auf den Nägeln. Und es ist erwiesen, dass diverse Teams innovativer und effektiver arbeiten – also müssen sich nicht nur Frauen noch stärker einbringen, sondern sich auch mehr kulturelle Hintergründe, soziale Herkunft und weitere Facetten der Diversität in der Arbeitswelt widerspiegeln. Die Politik sollte das Instrument der Quote dabei noch stärker einsetzen, um Frauen verstärkt in Führungspositionen zu bringen – dann werden über diese Vorbilder auch andere Frauen nachgezogen. Auch das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Karriere muss weiter vorangetrieben werden – damit es eine Selbstverständlichkeit wird, dass Frauen und Männer absolut gleichberechtigt für ihren Nachwuchs sorgen. Auch hier gibt es erfreuliche Entwicklungen bei jungen Männern und Frauen, aber Corona hat auch gezeigt, dass in Krisensituationen wieder die traditionellen Familienmodelle gelebt werden.

Interview: Julia Wunderlich, Studienleiterin Jugendpolitik & Jugendbildung (Junges Forum), Evangelische Akademie Tutzing

Zur Person:
Marion Zeßner ist Geschäftsführerin bei der Femtec GmbH. Femtec wurde 2001 von den Gesellschafterinnen Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF Berlin – Diversity in Leadership) und der Technischen Universität Berlin gegründet. Die Femtec ist die internationale Karriereplattform für Frauen* in IT, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Femtec gewinnt weiblichen* Führungskräfte-Nachwuchs für MINT-Berufe, bietet zielstrebigen Studentinnen Karriereperspektiven und qualifiziert und vermittelt Professionals. Diese Frauen*, Technologie-Unternehmen sowie wissenschaftliche Institutionen und technische Universitäten sind Teil des Femtec Netzwerks. Weitere Informationen zu Marion Zeßner und Femtec finden Sie auf der Homepage: https://www.femtec.org/

Tagungshinweis:
Marion Zeßner ist Referentin auf der Tagung “Abitur – und dann?” vom 03. bis 04. März 2023 im Jungen Forum der Evangelischen Akademie Tutzing. Die Tagung findet in Kooperation mit der Zentralen Studienberatung der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Studienberatung der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm, der Zentralen Studienberatung der Universität Regensburg, der Berufs- und Studienberatung der Arbeitsagentur Starnberg sowie der Abiturientinnen- und Studierendenberatung der Arbeitsagentur Memmingen statt. Unter diesem Link finden sich alle Informationen zum Programm und zur Anmeldung.

Bild: Marion Zeßner (Foto: © Femtec)

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