Ausführlicher Bericht zur Sommertagung des Politischen Clubs
Julia Bönisch: „Alles anders im Online-Journalismus?“ (16.6.2018)
Julia Bönisch ist Journalistin und Chefredakteurin von Süddeutsche.de (pro Monat etwa 20 Mio unique user) sowie Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“. Sie stellt ein „Information-Overload“-Phänomen fest, zu viele Informationen stürmten auf die User ein. Es gelte das Prinzip der Verführung, dass sich im Teasering bemerkbar mache (Clickbaiting). Auch etablierte Medien sprängen auf diesen Zug auf. Die Beschleunigung im Journalismus habe auch direkten Einfluss auf die Politik: „Echtzeitjournalismus“ fordere von den Politikern umgehende Reaktionen.
Sie sagt: „Wir haben im Internet die Kontrolle über unsere Nachrichten abgegeben – das bedeutet auch, dass wir die Kontrolle über den Kontext, in dem unsere Nachrichten präsentiert werden, verloren haben.“ Die großen Konzerne wie Google und Facebook diktieren die Kontexte, in denen die Inhalte angezeigt werden. Der User könne das oft nicht mehr auseinanderhalten. Darüber hinaus konsumierten Nutzer heute nach dem Motto „The news will find me.“
Bönisch vertritt die Meinung, es gebe keinen Online-Journalismus mehr. Zu stark sei die Wechselwirkung mit anderen Medienformen als dass man von reinem Onlinejournalismus sprechen könne. Die Herausforderung sei es, die Inhalte an die neuen Endgeräte anzupassen.
„Das Internet ist das Dialogmedium schlechthin.“ Die Nutzer, so Bönisch, erwarten, dass die Journalisten mit ihnen sprechen. Jedoch habe sich die Kommunikation in den vergangenen fünf Jahren sehr verändert. Habe es bis vor fünf Jahren auf Süddeutsche.de noch unter jedem Artikel eine offene Kommentarfunktion gegeben, gebe es heute pro Tag drei bis vier redaktionell festgelegte Themen, die von den Nutzern debattiert werden könnten. Außerdem gebe es die Dialogfunktion über Whatsapp. Die offene Kommentarfunktion unter den Artikeln dagegen gebe es nicht mehr – alle Kommentare zu prüfen bevor sie freigeschaltet würden, habe zu viel Kapazität gefordert.
Bönisch fordert ein Umdenken: es sollte kein Unterschied mehr gemacht werden zwischen Online- und Printjournalismus. Für die Zukunft weist sie darauf hin, dass sich nur mit Exklusivität rentabel arbeiten ließe. Die Geschichten dürfen nicht austauschbar sein. Außerdem im Kommen: Thema Künstliche Intelligenz.
Alexandra Holland: „Welche Zukunft hat die Zeitung?“ (16.6.2018)
Die Herausgeberin der „Augsburger Allgemeinen“ wirft zu Beginn ihres Beitrags einen Blick in die USA. Dort seien weite Teile des Landes mittlerweile zu „zeitungsfreien Zonen“ verkommen. Der „Zeitungskahlschlag“ betreffe alle Gegenden, auch die, in denen Bildungsbürger leben und in denen es früher regionale, erfolgreiche Verlagshäuser gegeben habe. Das habe unmittelbare Auswirkungen: Es gebe in diesen Orten keine lokale Berichterstattung mehr – auch nicht aus lokalpolitischen Sitzungen. Der Niedergang der US-amerikanischen Debattenkultur habe somit im Kleinen begonnen. Mittlerweile sei die gesellschaftliche Polarisierung zum Normalfall geworden. Dennoch gebe es Erfolgsbeispiele: So zum Beispiel der Erfolg einiger überregionaler Blätter wie der „New York Times“ oder der „Washington Post“.
Was die Zukunft deutscher Regionalzeitungen anbelangt, gibt sich Holland optimistisch. Deutschland sei „ein guter Nährboden für Regionalzeitungen“. Holland spricht von einer Renaissance des Begriffes „Heimat“. Lange Zeit habe er als altmodisch gegolten, doch das habe sich geändert: „Der Begriff Heimat lebt und unsere Heimatzeitungen auch.“ Trotz sinkender Auflagen seien Zahlen zu Reichweite und Vertrauen in de Regionalzeitungen seit Jahren konstant. Aber sie gibt auch zu: „Das Geschäft ist nicht einfacher geworden.“ Früher hätte das Abonnement einer Zeitung in den einzelnen Haushalten zum „guten Ton“ gehört. „Heute müssen wir uns mehr anstrengen.“ Holland setzt daher auf den Dialog mit dem Leser.
Die „Augsburger Allgemeine“ unterhalte 17 große Lokalredaktionen und beschäftige 200 Mitarbeiter. Man bemühe sich hier täglich um den Leser, sehe ihn als Mitglied der Zeitungsfamilie. Die Zeitung habe ein neues Format eingeführt, in denen Gespräche zwischen Lesern und Politikern stattfänden, so etwa mit Markus Söder. Darüber hinaus habe die Zeitung ihr Angebot ausgeweitet, biete online Artikel an, E-Paper, Video, Newsletter oder auch Podcasts. Dem Leser werde kommuniziert, dass Inhalte wertvoll sind und Geld kosten.
Für die Mitarbeiter der Zeitung bedeute das auch, mitzudenken, ob Inhalte gut vermarktbar sind. Techniker seien gefragter als vorher, Suchmaschinenoptimierung werde eingesetzt, etc. Um ein tragfähiges Geschäftsmodell zu erhalten, spiele die Vermarktung eine wichtige Rolle.
Holland will „nicht zulassen, dass unsere Branche kaputt geredet“ werde. Noch nie sei die Sehnsucht nach Einordnung bei den Lesern so groß gewesen wie heute. Die „Suche nach sachkundiger Sachaufbereitung entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis.“ Gleichzeitig seien die Leser noch nie so fordernd gewesen wie heute. Das begreife sie als Herausforderung. Verleger und Redaktionen seien gefordert, die „Leuchtturmfunktion“ des Journalismus aufrecht zu erhalten. Das erfordere viel Wissenstransfer und unternehmerisches Denken. Sie schließt mit den Worten: „Noch nie war die Zeit so gut für Journalismus – auch für Zeitungsjournalismus.“
Christian Nitsche: „Die Erosion traditioneller Kommunikation – welche Rolle haben künftig Journalisten?“ (16.6. 2018)
Der Vortrag des Chefredakteurs und Programmbereichsleiters „Aktuelles“ des Bayerischen Rundfunks folgt.