Ausführlicher Bericht zur Sommertagung des Politischen Clubs
Dr. Peter Frey: „Glaubwürdigkeitskrise? Qualitätsansprüche an Nachrichtenjournalismus angesichts unsicheren Medienvertrauens“ (16.6.2018)
Problem: „Wer in einem Klima, das von Angst dominiert ist, schlechte Botschaften übermittelt, der wird direkt mit den schlechten Nachrichten assoziiert, was in letzter Konsequenz zur Abkehr von den klassischen Medien führt.“ Der harte Kern von Medienkritikern müsse aber ernst genommen werden, so ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Es sei gefährlich, auf die Mehrheit der Medienvertrauenden zu setzen und die Skeptiker zu ignorieren. „Man müsse alles daran setzen, dass das Virus des Zweifels nicht in die Mitte der Gesellschaft überspringt.“
In Zeiten der Polarisierungen und gezielten Provokationen sei es wichtig, „nicht über jedes Stöckchen zu springen“, das Akteure wie die AfD hinhielten. Zu oft würden Medien gezielte polarisierende Formulierungen aufgreifen. Er fordert daher einen sensiblen Umgang mit Sprache: „Begriffe schaffen Wirklichkeit“. Dies gelte ganz besonders für Unworte wie etwa den Begriff „Lügenpresse“.
Frey erklärt, die Medien hätten ihre Gatekeeper-Funktion durch das Aufkommen der sozialen Netzwerke eingebüßt. Soziale Plattformen seien Monopole, „die weder dem Pluralismus dienen noch den Grundlagen eines wettbewerbs-orientierten Kapitalismus entsprechen“. Der Journalismus müsse akzeptieren, dass er durch diese Plattformen seine ursprüngliche Rolle verloren habe, Informationen zu liefern und als eine Art „Torwächter“ zu gewährleisten, dass keine menschenunwürdigen Inhalte und Darstellungen verbreitet werden. Man müsse daher auf Social Media vertreten sein, um als „Gegenanbieter“ zu agieren. Algorithmen seien nie neutral. Das Kuratieren von Inhalten sei eine publizistische Aufgabe und den Ansprüchen müsse sich auch ein Akteur wie etwa Facebook unterordnen. Er plädiert aus diesem Grund für eine Aufsicht. Darüber hinaus entstünden durch die sozialen Netzwerke rechtsfreie Räume – und Parallelgesellschaften. Die Struktur der Öffentlichkeit habe sich dadurch verändert. Frey stellt eine neue, prägende Grundspannung fest: „offen gegen geschlossen“.
Es sei die Aufgabe der etablierten Medien, die Zweifler zurückzugewinnen. Dafür sehe er drei Lösungsansätze:
1. Journalisten sollten kritisch, aufklärerisch und unverzagt ihren Job machen.
2. Sie sollten ihre journalistische Arbeitsweise den Lesern/Nutzern erklären bzw. transparent machen.
3. Journalisten sollten Fehler zugeben und öffentlich nachvollziehbar machen.
Wichtig sei es ebenfalls, wieder mehr den Kontakt zu den Menschen zu suchen. „Es geht uns ums Verständnis“, so Frey. Warum entstünden bestimmte gesellschaftliche und politische Strömungen? Gleichwohl müsse der Journalist unterscheiden zwischen Verstehen und Verständnis: „Verstehen ist etwas anderes als Verständnis haben.“ Es gebe auch Grenzen des Verständnisses, etwa wenn es um Extremismus gehe. Dieser müsse genau benannt werden.
Christian Feld: „Hass und Fake News im Internet – wie können/sollen Journalisten und Nutzer damit umgehen?“ (16.6.2018)
Der Journalist, ehemalige WDR-Korrespondent in Brüssel und Fellow der Nieman Foundation fo Journalism at Harvard University Köln, eröffnet seinen Vortrag mit einer Karikatur. Darauf sieht man Figuren mit Waffen, die auf eine einzelne Figur an einer Wand zielen. Über der einzelnen Figur steht „Bürger“, darunter „AfD“ sowie „Artikel 19 Meinungsfreiheit“. Auf den Rücken der Bewaffneten steht „ARD“, „ZDF“, „Bild“ und „Spiegel“.
Feld erklärt die Fake-News-Definition der Ära Trump: Demnach sind Fake News nicht Falschmeldungen, sondern Meldungen, die nicht genehm sind. Christian Feld selbst plädiert für eine Abkehr vom Fake-News-Begriff – dieser sei mittlerweile „ausgeleiert“. Er schlägt vor, „Desinformation“ bzw. „Falschinformation“ als Begriffe zu verwenden.
Desinformation bedeute vieles. Nach einer Analyse von „First Draft“ gebe es folgende Unterteilungen:
– satire or parody
– false connection
– misleading content
– false context
– imposter content
– manipulated content
– fabricated content
Warum haben Falschinformationen in den vergangenen Jahren so stark zugenommen? Ein Grund: Durch die Digitalisierung ist die Technik billiger geworden und längst nicht mehr so aufwändig wie etwa zu Zeiten des Fernsehbeiträge-Fälschers Michael Born, der von sich behauptete: „Wir waren die letzten echten Handwerker.“ Heute könne jeder mit seinem Handy Videos drehen, Bilder und Tonaufnahmen machen, bearbeiten und verbreiten. Lange Zeit sei die digitale Revolution ausschließlich positiv gesehen worden, das habe sich nun geändert. Die Algorithmen im Netz verstärkten Falschmeldungen noch in ihrer Verbreitung. Was dort „gut läuft“ sei: Emotionen, Provokationen, Schreien.
Doch sollte man Hass im Netz bekämpfen? Und wenn ja, wie? Er weist darauf hin, dass „Hass“ kein Straftatbestand ist. Wer sollte die Regeln festlegen? Gemeinschaftsstandards könnten schließlich nicht nationales Recht aushebeln. Feld verweist auf ein neues Modell: „Verfolgen statt nur löschen“. Hassnachrichten im Netz einfach zu löschen, sei nicht wirksam genug. Die Menschen, die Hassbotschaften verbreiten, dagegen ausfindig zu machen und zur Rede zu stellen, dagegen schon.
Er beobachtet in den sozialen Netzwerken zunehmend eine „Betonierung von Standpunkten“. Es herrsche totales Misstrauen, auch gegen Faktenchecker. Was ist also für Journalisten zu tun?
Feld:
1. „Wir müssen hart arbeiten und dürfen es uns nicht einfach machen.“ Auch eigene Standpunkte und Lebenswahrheiten sollte man immer auf den Prüfstand stellen.
2. „Wir sollten häufiger innehalten.“
3. „Die Zeit von arrogantem, belehrenden Journalismus ist zum Glück vorbei.“
In der Diskussion um den Umgang bzw. eine mögliche Regulierung von Social-Media-Riesen vertritt Feld die Auffassung, sich über gute Gegenangebote Gedanken zu machen. Facebook & Co. zerschlagen zu wollen, halte er für unwahrscheinlich.
Buchtipp: „Fake statt Fakt“ von Ute Schäfer.