„Die Wissenschaft braucht Vertrauen“
Prof. Dr. Peter Dabrock, Vorsitzender des deutschen Ethikrates, sprach in der Evangelischen Akademie Tutzing darüber, warum Forschung und Gesellschaft einander benötigen.
„Was soll und darf Forschung?“ war das Thema des SZ-Gesundheitsforums, das vom 14.-15. November in Tutzing tagte. Am Mittwochabend am Rednerpult: Prof. Dr. Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. Doch nicht nur als Stellvertreter des Ethikrates, sondern auch als Theologe wollte er seine Ausführungen zum Thema „Warum Forschung und Gesellschaft einander benötigen“ verstanden wissen.
Biotechnologie und Informationstechnologie verwachsen zunehmend miteinander. Der Autor Yuval Noah Harari beschreibe das Phänomen in seinem Buch „Homo Deus“ zutreffend, so Dabrock. Demnach wird der Mensch als Algorithmus verstanden, der selbst der Religion der Datengläubigkeit anhängt. Harari spricht von einer „religion of dataism“.
Das „Social Credit System“, soziale Kontrolle via Datenüberwachung, wie es etwa in China schon eingeführt ist, stehe beispielhaft dafür, so Dabrock. Doch wann spielt der Mensch Gott? Ab wann ist der Punkt erreicht, dass der Mensch in seiner Forschung und seinen Handlungen in Gebiete eindringt, in die er nicht eindringen sollte?
Etwa die CRISPR-Technologie (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) spiele hier herein, durch die gentechnisch veränderte Organismen hergestellt werden können. – Eine disruptive Technologie, so Dabrock. Im vergangenen Jahr hatte der Deutsche Ethikrat der Bundesregierung dringend empfohlen, zeitnah international verbindliche Regularien hinsichtlich der so genannten „Keimbahninterventionen“ zu schaffen.
Aus theologischer Sicht habe der Mensch sowohl eine Verantwortung für sein Tun als auch für das Unterlassen. Insbesondere für die Forschung ergebe sich daraus eine hohe Verantwortung, Handeln im Vorfeld zu überdenken.
Die Aufgabe des Ethikrates sei es nicht, Entscheidungen zu fällen, sondern nach ethischen Kriterien Handlungsperspektiven anzubieten. Die Herausforderung bestünde darin, einen verantwortlichen Korridor zu identifizieren, der weder der Protestkommunikation diene, noch der Akzeptanz der Forschung, sondern die Pluralität der gesellschaftlichen Verantwortungen wiedergebe. Oberste Ziele seien, das Vertrauen der Gesellschaft in die Forschung zu stärken, in dem die Gesellschaft einbezogen werde (Partizipation).
Gegenwärtig, so Dabrock, bestehe die Gefahr, dass sich die Forschung von der Gesellschaft wegbewege. Das erzeuge einen Vertrauensverlust. Eine große Rolle spiele dabei auch der Umgang mit persönlichen Daten der Bürger – vor allem im medizinischen Bereich ein großes Thema. Für den Einzelnen müsse vollständige Datensouveränität gewährleistet sein.
„Die Wissenschaft braucht Vertrauen und muss Vertrauen generieren.“, so Dabrock. Da die Wissenschaft aus der Gesellschaft selbst komme ergebe sich auch eine Rechenschaftspflicht der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft. – Ein Punkt, aus dem im Anschluss eine lebendige Debatte mit Dabrocks Vorredner Prof. Dr. Hans-Georg Dederer von der Juristischen Fakultät der Universität Passau entstand.
Bild: Prof. Dr. Peter Dabrock ist Vorsitzender des Deutschen Ethikrats sowie Professor für Systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Ethik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (Foto: dgr/eat archiv)