Die Stimmen Afrikas hören
Eine Afrika-Politik auf Augenhöhe, das Hörbarmachen afrikanischer Stimmen und neue Narrative für einen ganzen Kontinent – das sind nur drei der Forderungen, wie sie beim Studientag „Afrika und Europa im Dialog“ am 13. Juni im Schloss Nymphenburg in München laut wurden. Ein Bericht.
Fidon Mwombeki, promovierter Theologe aus Tansania, hat eine klare Zukunftsvision: „Ich habe in Deutschland erlebt, nicht immer als Kunde wahrgenommen zu werden, wenn ich mir als Afrikaner einen Anzug kaufe. Man sah mich eher als einen potentiellen Dieb. Mein Wunsch ist, dass zukünftig Afrikaner und Afrikanerinnen, die nach Europa kommen, so wahrgenommen werden, wie wir europäische Menschen in Afrika sehen: als Gäste, als Experten vielleicht, jedenfalls nicht als Bedrohung.“
Pfarrer Fidon Mwombeki hat viele Jahre in Deutschland und Europa gearbeitet. Seit 2018 ist er Generalsekretär der Gesamtafrikanischen Kirchenkonferenz mit Sitz in Nairobi. Er war einer der Referenten beim Studientag „Afrika und Europa im Dialog“, den das Centrum Mission EineWelt in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Tutzing am 13. Juni im Schloss Nymphenburg in München veranstaltet hat.
Chancen nutzen
„Im Vorfeld des Kirchentages kamen viele hochkarätige Gäste aus Afrika in Deutschland“, berichtet Reinhard Hansen, der das Referat Afrika bei Mission EineWelt leitet. Neben München, wo fast einhundert Teilnehmende den Vorträgen lauschten, fanden auch in Hannover, Berlin und Hamburg Veranstaltungen statt. Der Schlusspunkt wurde auf dem Kirchentag in Dortmund gesetzt. „Diese Chance wollten wir nutzen, um die Stimme Afrikas hörbar zu machen“, so Hansen.
Hugette Kazeneza ist eine dieser Stimmen. Die junge Frau aus Burundi berichtete eindringlich, wie sie als kleines Kind unter den ethnischen Konflikten in Burundi und Ruanda litt. Sie ist der Überzeugung, dass Afrika sich nur entwickeln kann, wenn es Frieden gibt. „Dazu müssen die Gruppierungen der Zivilgesellschaft gestärkt werden“, unterstrich Kazeneza, die sich in der katholischen Kirche engagiert.
Politische Forderungen
Neben Erfahrungsberichten wurde auch an politischen Papieren gearbeitet. Dr. Mwombeki führte in die „Agenda 2063“ ein, eine Zukunftsvision der Afrikanischen Union. Er stellte diese in den Kontext der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Was aus seiner Sicht in beiden Verlautbarungen fehle, sei eine Auseinandersetzung mit der Herausforderung des Bevölkerungswachstums in Afrika. „Ohne funktionierende Familienplanung wird eine nachhaltige Entwicklung in Afrika kaum funktionieren“, unterstrich er.
Den deutschen „Marshallplan mit Afrika“ erläuterte Reinhard Junker, Referat für Afrikapolitische Grundsätze und Initiativen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). „Deutschland macht afrikanischen Ländern ein Angebot. Wir wollen den wirtschaftlichen Aufbruch unterstützen“, betonte Junker.
„Als ich vor Jahren die Christen in meiner Diözese immer wieder aufforderte, Bäume rund um den Kilimandscharo zu pflanzen, stieß ich oft auf Unverständnis“, berichtete Bischof Dr. Fredrick Shoo, der Leitende Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania. „Nicht wenige fragten mich: ,Warum kümmerst du dich als Bischof nun um Bäume, nicht um Menschen?‘“, berichtete Shoo. Es sei doch klar, dass das ganze Schöpfungswerk Gottes als Einheit gesehen werden müsse. „Die Aufgabe der Menschen ist es, das Werk Gottes zu bewahren. Diese Forderung gilt allen Menschen auf der ganzen Welt“, betonte Shoo. Probleme entstehen, weil der Lebensstil und Energieverbrauch weltweit sehr unterschiedlich sind. Shoo wies darauf hin, dass ein Mensch in Deutschland statistisch gesehen einen 18 Mal höheren Kohlendioxidausstoß verursacht, als eine Person in Tansania.
Migration und Perspektiven
Auf die Herausforderung der Migration wies Paul Muchena hin. Er arbeitet als nationaler Koordinator der Katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Simbabwe und kennt die Problematik sehr genau. „Millionen von Menschen haben aus politischen und wirtschaftlichen Gründen Simbabwe verlassen und leben in der Diaspora“, so der Experte. „Diejenigen, die abwandern, beeinflussen trotzdem das System zu Hause“, betonte Muchena. So sei die Summe der Überweisungen der ausgewanderten Menschen an ihre Familien in Simbabwe höher als alle offizielle internationale Entwicklungshilfe.
Für eine Afrika-Politik auf Augenhöhe mit den Menschen hat die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler geworben. „Jeder Mensch braucht Perspektiven“, sagte die Ständige Vertreterin des bayerischen Landesbischofs bei der Tagung. Statt der derzeitigen „postkolonialen Schieflage“ mit ihrer „Subventionsmentalität“ müsse mehr „gleichrangige Zusammenarbeit“ ermöglicht werden.
Dr. Gabriele Hoerschelmann, Direktorin von Mission EineWelt, fasste in der Schlussrunde zusammen: „Um Visionen zu entwickeln brauchen wir neue positive Geschichten aus Afrika, neue Narrative.“ Nur mit solchen Geschichten könnten gemeinsame Visionen entwickelt werden. Gabriele Hoerschelmann ist sich sicher. „Deshalb ist es so wichtig, die Stimmen Afrikas zu hören.“
Claus Heim/Reinhard Hansen/Michael Seitz
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Bild: Podiumsdiskussion in Schloss Nymphenburg: (v.l.n.r.) Ulrich K. Rieger (Leitender Ministerialrat sowie stellvertretender Abteilungsleiter, bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie), Huguette Kazaneza (Forscherin und Jugendvertreterin für Frieden und Sicherheit im Gebiet der großen Seen Afrikas, Hekima Institute of Peace Studies an International Relations (HIPSIR) Nairobi), Dr. Fredrick Shoo (Leitender Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT), Dr. Fidon Mwombeki (Pfarrer, Generalsekretär der Gesamtafrikanischen Kirchenkonferenz (AACC), Dr. Gabriele Hoerschelmann (Pfarrerin, Direktorin von Mission EineWelt, Neuendettelsau), Susanne Breit-Keßler (Oberkirchenrätin, Regionalbischöfin des Kirchenkreises München-Oberbayern, ständige Vertreterin des Landesbischofs), Paul Muchena (Koordinator der katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Freiden in Zimbabwe).
(Foto: Haist/eat archiv)