Die “Sisterhood’s Journey” als neue Form des Erzählens?
Seit einigen Jahren treiben die Themen Diversität, Inklusion und Antidiskriminierung die Medien- und Filmbranche um. Die beiden Dramaturginnen und Autorinnen Letícia Milano und Johanna Faltinat finden: Repräsentation ist gut für die Sichtbarkeit von Vielfalt, aber schlecht für die Vielfalt im Storytelling. Sie fordern eine Dramaturgie, die unserer Zeit Rechnung trägt.
“Representation matters! Reicht aber nicht aus.” Unter diesem Titel haben Letícia Milano und Johanna Faltinat einen Gastbeitrag für den Rotunde-Blog der Evangelischen Akademie Tutzing verfasst, in dem sie sich mit den dramaturgischen Aspekten der Diversity-Debatte auseinandersetzen. Zwar seien Diversität und Vielfalt auf Leinwänden und Bildschirmen sichtbarer als zuvor, aber es seien auch kritische Stimmen lauter geworden, so Milano und Faltinat. Die Vorwürfe: Diversität schränke die künstlerische Freiheit ein, die Formate seien zu klischeehaft, es werde “Diversity-Washing” betrieben.
Den beiden Autorinnen, die seit 2019 mit ihrem “Büro für vielfältiges Erzählen” Medienschaffende in kreativen Prozessen beraten, geht es in ihrem Text um mehr: Sie fordern eine neue Form des Erzählens, die die Gesellschaftsordnung auf den Prüfstand stellt. “Dieses neue Narrativ sprengt die lineare, kausale Struktur, die der Normalität der Dominanzgesellschaft folgt”, heißt es in der Gastkolumne.
Die neue Art zu erzählen vermeide es, aus der Mitte der Dominanzgesellschaft heraus zu erzählen. Denn: “Alle, die aus der Mitte der Dominanzgesellschaft heraus erzählen, tun genau das: Sie übernehmen das Narrativ von ‘Wir und die Anderen’.” Dabei handle es sich um ein patriarchales Narrativ, das die Perspektive von privilegierten auf marginalisierte Menschen beschreibe. Faltinat und Milano weiter: “Es ist ein objektivierendes Narrativ, das Unterdrückung immer wieder stabilisiert. Das patriarchale Narrativ ist eines, das aus marginalisierten Körpern Objekte macht und zwar auch dann, wenn diese Körper Protagonist:innen sind.”
Faltinat und Milano schlagen die “Sisterhood‘s Journey” als neues Modell vor. Sie erläutern es so: “Und hier ist Sisterhood nicht in Bezug auf Geschlecht zu verstehen, sondern als Gegensatz zur Herrschaft, Dominanz und Macht. Sisterhood als widerständige Praxis gegen strukturelle Unterdrückungsmechanismen. Als ein Narrativ, das Schmerz anerkennt und Differenz feiert. Eine dramaturgische Arbeit, die Autor:innenschaft in ihre Praxis einbezieht.”
Den kompletten Gastbeitrag lesen Sie im Rotunde-Blog der Evangelischen Akademie Tutzing.
Hinweis:
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Letícia Milano und Johanna Faltinat werden auf der Tagung “Teilhabe im Film (Vol.2)” vom 28. – 30. November 2023 den Workshop “Eine Empfindung auf der Haut – Vielfalt erzählen” anleiten. Die Tagung findet in Kooperation mit dem Filmfest München statt.
Detaillierte Informationen zu Programm und Anmeldemodalitäten finden Sie über diesem Link.