Ein Podiumsgespräch mit Helen Zille, Premierministerin der Provinz Westkap, Südafrika, und Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm

Den Freistaat Bayern und die südafrikanische Provinz Westkap verbindet seit einundzwanzig Jahren eine enge Zusammenarbeit, die in zahlreichen Kooperationsprojekten ihren Niederschlag gefunden hat. „Die langjährige Partnerschaft Bayerns mit Westkap ist eine große Erfolgsgeschichte. Sie ist Musterbeispiel für eine nachhaltige Nord-Südpartnerschaft. Zugleich gibt es insbesondere in den Bereichen Erneuerbare Energien, High-Tech und Bildung sowie bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit für beide Seiten noch großes Potenzial“, betonte Staatsministerin Dr. Beate Merk in ihrem Grußwort zu dem Podiumsgespräch über „Die Rolle der Zivilgesellschaft in Deutschland und Südafrika heute“ in der Evangelischen Akademie Tutzing.

Eingeladen zu der Podiumsdiskussion hatte die Evangelische Akademie Tutzing und das Institute for Theological & Interdisciplinary Research der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA). Beide Einrichtungen sind seit Ende 2011 durch einen Partnerschaftsvertrag miteinander verbunden. Auf dem Podium diskutierten die Premierministerin der Provinz Westkap, Helen Zille, und der Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm. Moderiert wurde das Gespräch von Akademiedirektor Udo Hahn und EFSA-Direktor Renier Koegelenberg.

Staatsministerin Merk wies des Weiteren darauf hin, dass Bayern sein Engagement im Bildungs-, Sicherheits-, Gesundheits- und Sozialbereich, bei der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, der Zusammenarbeit bei der Inneren Sicherheit sowie der AIDS-Bekämpfung fortsetzen werde. „Unsere Partnerschaft ist eben ‚full of energie‘“ fuhr die Ministerin fort und lobte die “youthcamps“ zwischen Bayern und der Provinz Westkap, in denen Jugendliche voneinander lernen könnten in den Bereichen „fair trade, solidarity und social participation“. Abschließend forderte Merk, dass wir „eine globale Gemeinschaft“ werden müssten, um die Probleme der Zukunft gemeinsam lösen zu können: „Sicherheit, Frieden, Wohlstand und eine intakte Umwelt.“

Akademiedirektor Udo Hahn erinnerte an den Tutzing-Besuch der Premierministerin im Jahr 2011. Damals hatte Helen Zille eine „offene und liberale Gesellschaft“ gefordert. Und heute?

Diese Forderung sei noch immer unerfüllt, erklärte Zille. Die Gewalt des Staates solle – so weit wie möglich – geteilt werden, um Machtmissbrauch zu verhindern. Zu einer offenen Gesellschaft gehöre unverzichtbar die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie eine strikte religiöse Neutralität, natürlich auch ein Mehr-Parteien-System und die Verteilung der Macht im Land, erklärte die Premierministerin. Ebenfalls seien Institutionen zwar unumgänglich, müssen sich in offenen Gesellschaften aber einer ständigen Kritik stellen und immer veränderbar bleiben, so die Premierministerin. Südafrika sei auf dem Weg zu so einer offenen Gesellschaft. „Wir sind zu einer Demokratie geworden – ohne Krieg“, sagte Zille und ergänzte: „Der Fortschritt in unserem Land ist unglaublich.“

Eine unabhängige und engagierte Zivilgesellschaft sei unentbehrlich für gerechte und nachhaltige Entwicklung, Demokratie und den Schutz der Menschenrechte, erklärte EFSA-Direktor Koegelenberg. Doch es gebe zahlreiche ethische Herausforderungen in seinem Land. An Landesbischof Bedford-Strohm gerichtet, erkundigte sich Koegelenberg nach der Rolle der Kirchen.

„Wenn wir als Kirche sprechen, ist es wichtig zu wissen, dass die Politik verschiedene Interessen vertreten muss“, erläuterte Bedford-Strohm. In der Politik gebe es keine pure Ethik, erklärte er. Wichtig sei es, miteinander zu reden. Das kirchliche Netzwerk beispielsweise mache Dialog miteinander möglich. Dabei sei es wichtig, dass Kirche keine höhere Position einnehme als der Gesprächspartner. „Denn wenn Du mit einer höheren Moral sprichst, wird Dir keiner zuhören“ – schlussfolgerte Bedford-Strohm. (Näheres auf der facebook-Seite des Landesbischofs: https://www.facebook.com/landesbischof/photos/a.250354218360787.60910.240505492678993/1136208466442020/?type=3)

„Bei der Partnerschaft zwischen Südafrika und Bavaria – spricht man da auf gleicher Augenhöhe?“, fragte Koegelenberg.

Landesbischof Bedford-Strohm gab in seiner Antwort den geladenen Gästen zu verstehen, dass er keine neue Kolonisation etwa durch Nichtregierungsorganisationen wolle. Er verwies darauf, dass die Kirche in dieser Hinsicht vor den gleichen Problemen stünde. Wenn die Evang.-Luth. Kirche in Bayern zum Beispiel Geld für die Kirche nach Tansania geben würde und angebe, was der Verwendungszweck für dieses Geld sei, dann würde der tansanische Bischof sagen: „Ihr kolonisiert uns, weil ihr uns vorschreibt, für welchen Zweck das Geld ist.“ Wichtig zu verstehen ist, so Bedford-Strohm, dass das hier gesammelte Geld nicht für eine größere Kirche des Bischofs in Tansania sei, sondern für die Armen. „Um diese Fragen zu klären, sitzen wir mit den Glaubensbrüdern zusammen und diskutieren die Fakten“, sagte der Landesbischof.

Premierministerin Helen Zille merkte an, dass Menschen in großer Zahl nach Kapstadt kämen – Arme, Alte, Schwache, Kranke, Arbeitslose, Hungernde, Flüchtlinge usw.. Man müsse als verantwortlicher Politiker dann entscheiden, wieviel Geld es gebe für Unterkunft, Kleidung, Nahrung, Bildung usw. Die entscheidende Frage sei: „Gibst Du viel für die armen Leute oder gibst Du viel für einige wenige Leute?“ Wie könne man eine faire Politik machen, Wohnungen für Arme schaffen, die Trinkwasserversorgung sicherstellen und Bildung für alle realisieren? Das seien alles sehr komplexe Fragen, erklärte die Politikerin.

Die Solidarität untereinander sei entscheidend, unterstrich der Landesbischof. Denn was solle der Horizont bei der Flüchtlingsfrage sein? Sollten die Flüchtlingsströme an der bayerischen Grenze enden oder an der deutschen oder der europäischen Grenze? Für Bedford-Strohm steht fest: „Die Solidarität ist wichtig für die Länder Europas!“

Doch zurück zur Zivilgesellschaft – sie wird von mehreren Gruppen gebildet, erklärte Hahn, etwa von Initiativen, Vereinen, Verbänden, sozialen Bewegungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Non-Profit-Organisationen (NPOs). In Deutschland engagieren sich 17,5 Millionen Bürger in mehr als 600.000 Organisationen. Wie sei das in Südafrika?

Helen Zille legte dar, dass die Zivilgesellschaft zu jeder Demokratie gehöre – auch in Südafrika. Neben zahlreichen Gruppierungen seien auch die Medien Teil der Zivilgesellschaft. Sie alle würden die gleichen Ziele verbinden, die gleichen Vorstellungen von einer besseren, gerechteren Welt, die gleichen Wünsche und Träume. Die Kirchen seien der schwächste Teil in der südafrikanischen Zivilgesellschaft. Sie versuchten ihren Platz in der Zivilgesellschaft zu finden. Neben den klassischen christlichen Kirchen wie der Dutch Reformed Church, der Anglican Church, der Römisch-Katholischen Kirche, der Evangelisch-Methodistischen Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Kirche gebe es viele so genannte Schwarze Kirchen. Die überwiegende Mehrheit der Südafrikaner gehöre einer dieser Schwarzen Kirchen an, die auf über 1.000 im Lande geschätzt würden, erklärte die Premierministerin.

Ein weiteres Problem in ihrem Land sei der Bildungssektor. Normalerweise gebe es 210 Schultage pro Jahr. Aber es gebe eben in manchen Schulen auch nur 48 Tage Schule pro Jahr. Der Unterricht falle aus. Die Lehrer würden oftmals nicht zum Unterricht erscheinen. „Kein Lehrer wird gefeuert bei uns wegen Inkompetenz oder Unpünktlichkeit“, sagte Zille. Das alles seien große Herausforderungen für Staat und Gesellschaft. Gute Bildung würde mit einem guten Zeitmanagement starten und mit gut ausgebildeten, zuverlässigen, kompetenten Lehrern. In Südafrika sei alles anders erklärte die Politikerin. „Bei uns sagt man im Hinblick auf die entwickelten Länder des Nordens: Ihr habt die Uhren – doch wir haben die Zeit.“

Axel Schwanebeck

Dr. Friedemann Greiner (m.) initiierte die Zusammenarbeit mit dem EFSA-Institut und seinem Leiter Dr. Renier Koegelenberg (l.). Akademiedirektor Udo Hahn (r.) hob die Beziehungen 2011 auf eine neue Ebene und schloss einen Partnerschaftsvertrag.

(Foto: Haist)

Im Gespräch mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bekundete die Ministerpräsidentin der südafrikanischen Provinz Westkap, Helen Zille: “Bildung und Schulunterricht sind eine der größten Herausforderungen für Südafrika.”

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Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm warnte vor einem neuen Kolonialismus durch NGOs in Afrika. Spendengelder, die nach Afrika flössen, dürften nicht hauptsächlich in repräsentative Kirchenbauten fließen, sondern müssten den Ärmsten zugute kommen.

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In einem Grußwort unterstrich Bayerns Europaministerin Beate Merk (CSU) die Bedeutung der Partnerschaft zwischen dem Freistaat und Westkap. Die beiden Regionen arbeiteten vor allem beim Klimaschutz und in Energiefragen eng zusammen.

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