“Dialog und Gespräch sind alternativlos”
Am 3. November hielt Dr. Benjamin Idriz, Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg und Vorsitzender des Münchner Forums für Islam, die Kanzelrede in der Münchner Erlöserkirche. Viele Menschen waren gekommen, um die islamische Perspektive des Imams zur Frage “Wie wollen wir zusammen leben?” zu hören. Benjamin Idriz verknüpfte die Rede mit einem Anstoß zu einer interreligiösen Erklärung.
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- Hier können Sie die Kanzelrede von Imam Idriz nachlesen.
- Hier können Sie die Begrüßungsrede von Akademiedirektor Hahn nachlesen.
“In der heutigen Zeit, in der die Kluft zwischen Religionen durch politische Ereignisse weltweit besonders groß zu sein scheint, fordern uns unsere gemeinsamen göttlichen Lehren, unsere Vernunft und die Grundsätze unserer Demokratie dazu auf, diese vermeintlichen Trennungen zu überwinden. Der Dialog und das Gespräch sind alternativlos. Ansonsten droht eine Zukunft, die von Hass und Feindschaft geprägt ist. Solche Spaltungen und die Angst vor freier Meinungsäußerung schaffen Misstrauen, fördern Vorurteile und verhindern, dass wir als Gesellschaft gemeinsam wachsen.” sagte Dr. Benjamin Idriz bei seiner Kanzelrede, zu der die Evangelische Akademie Tutzing am Sonntag, den 3. November gemeinsam mit ihrem Freundeskreis eingeladen hatte.
Niemals dürfe der Dialog abgebrochen werden, auch wenn er “manchmal unbequem oder herausfordernd” sein mag, so der Imam in seiner Rede, die den Titel “Wie wollen wir zusammenleben? Eine muslimische Perspektive.” trug. Er appellierte an die Verantwortung der heutigen Generation, “die nächste Generation vor den Fehlern der Vergangenheit zu bewahren und den Weg für ein friedliches Miteinander zu ebnen. Das Ziel sollte eine Gesellschaft sein, in der Menschen aller Glaubensrichtungen und Kulturen zusammenleben, in der sie voneinander lernen und gegenseitige Achtung entwickeln.”
Der Imam nutzte die Kanzelrede um eine Inititiative anzukündigen: In der Woche nach der Kanzelrede will er einen Vorstoß für eine interreligiöse Erklärung zum Ende des Kriegs in Israel und Gaza wagen. Er sagte: “Eine vereinte Stimme aller Religionen gegen jede Form von Hass ist in der gegenwärtigen Zeit von entscheidender Bedeutung.” Dazu wolle er einen Brief an führende Religionsvertreter mit dem Ziel einer “gemeinsamen Erklärung” schreiben.
Das Schreiben soll an den Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, den evangelischen Landesbischof Christian Kopp, den Vorsitzenden der Europäischen Rabbinerkonferenz, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, sowie die Präsidentin der Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, gehen. Er wolle ein eindeutiges Plädoyer für Frieden im Nahen Osten erarbeiten. “Ich bin mir bewusst, dass wir damit nicht alle Probleme lösen”, aber die Mehrheit der Menschen in Deutschland wolle eine solche Wortmeldung.
Das eindeutige Plädoyer soll laut Idriz die Forderung nach einer Freilassung aller Geiseln, dem Stopp des Krieges und nach einer sofortigen Bereitstellung humanitärer Hilfe umfassen. Die Unterzeichner sollen sich zudem “für eine gerechte und nachhaltige Lösung des Konflikts im Heiligen Land”, eine “Zwei-Staaten-Lösung” und zur gemeinsamen Bekämpfung von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit stark machen, erläuterte Idriz, der seine Kanzelrede zum Thema “Wie wollen wir zusammenleben? Eine muslimische Perspektive” hielt.
Idriz sagte, Muslime setzten sich “für ein friedliches und respektvolles Miteinander ein”. Es sei zu verurteilen, dass manche jüdische Mitmenschen sich “nicht mehr sicher fühlen und ihre Kippa oder ihrem Davidstern nicht ohne Angst tragen können”. Gleichzeitig appellierte er, Muslime nicht unter einen Generalverdacht zu stellen für “Wahnsinnstaten anderer, egal wo auf der Welt”: Es müsse selbstverständlich klar sein, “dass Extremisten, die den Islam missbrauchen, keineswegs für den Islam oder die Muslime stehen”, erläuterte der Imam.
Die Kanzelreden in der Erlöserkirche gibt es seit 1997 zweimal pro Jahr. Bekannte Persönlichkeiten sprechen über Themen, für die sie einstehen und Verantwortung übernehmen. Die Kanzelrede ist eine Sprachform, die zwischen Predigt und Vortrag angesiedelt sei und nicht im Gottesdienst, aber im Kirchenraum stattfindet. Bisherige Rednerinnen und Redner waren zum Beispiel Joachim Gauck, Gesine Schwan, Heribert Prantl, Christian Stückl, Dieter Reiter, Markus Söder, Harald Lesch, Christian Springer, Ilse Aigner, Doris Dörrie, Mirjam Zadoff, Katharina Schulze, Katja Wildermuth, Wolfgang M. Heckl und Dr. Hans-Joachim Heßler.
Sie können einige der Kanzelreden auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Akademie Tutzing ansehen.
In Kürze veröffentlichen wir hier auch die Kanzelrede von Imam Dr. Benjamin Idriz.
Fotos: ma/eat archiv