Desinformation – ein Phänomen unserer Zeit?

Die Herbsttagung des Politischen Clubs vom 15.-17.11.2024 widmete sich einem der bedeutendsten Phänomene der Gegenwart: der Debatte um Information und Desinformation. Mit einem journalistischen Fokus blickte sie auf die Herausforderungen, die durch neue Technologien, soziale Netzwerke, (Medien-)Marktmodelle, ein verändertes Kommunikationsverhalten und politische Krisen entstehen. Sie alle haben einen enormen Einfluss auf die Demokratie. (Ausführlicher Tagungsbericht)

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Nein, Desinformation ist kein neues Phänomen. Auf der Herbsttagung des Politischen Clubs erläuterte die Medienethikerin Claudia Paganini die lange Tradition der Fake News, die schon in der Geschichte der Rhetorik, bei den Sophisten, in der antiken Geschichtsschreibung bis hin zur Neuzeit, etwa in der strategischen Kriegsführung oder bei totalitären Regimes Anwendung fand und findet. Was neu sei, seien jedoch die Mechanismen und die Geschwindigkeit der Verbreitung von Fake News. Insofern, so Paganini, sei Desinformation durchaus ein Phänomen unserer Zeit.

Die Tagung unter dem Titel “Information und Desinformation” stieg dementsprechend mit Aktualitätsbezug ein. Nur wenige Tage zuvor hatte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen. Akademiedirektor Udo Hahn zog in seiner Begrüßung die aktuellen Nachrichten des Tages heran: Eben war bekannt geworden, dass der Impfgegner und Robert F. Kennedy Junior neuer Gesundheitsminister der USA werden soll. Kennedy werde “die Epidemie chronischer Krankheiten beenden und Amerika wieder gesund machen”, schrieb der designierte US-Präsident Donald Trump auf seinem Kurznachrichtendienst dazu. Und er fügte hinzu: Viel zu lange seien die Bürger bei öffentlicher Gesundheit mit Täuschung und Desinformation konfrontiert gewesen.

De Weck: “Aktueller könnte die Rolle von guter Information nicht sein”

Roger de Weck, Publizist und Leiter des Politischen Clubs, knüpfte in seinen Einführungsworten an dieses Thema an und ging auf eine weitere Person des US-Wahlkampfs sowie die mit ihr verbundene Thematik ein: Elon Musk und die Machtkonzentration. “Ich glaube, noch nie in der Geschichte hat eine Person dermaßen viele Dimensionen der Macht auf sich vereinigt”, sagte de Weck. In der Person von Musk vereinige sich Medienmacht als Eigentümer von X, Propagandamacht, Wirtschaftsmacht als reichster Mensch der Welt, Technologie-Macht, politische Macht, geopolitische und quasi militärische Macht als Eigentümer von Space X.

“Demokratie ist Machtverteilung, das heißt Gewaltenteilung. Wir sehen plötzlich, wie sich Macht bündelt und wie die Autoritären genau das wollen: Die Macht bündeln. Sie lassen das Parlament wenig gelten, es wird als Schwatzbude abgetan, sie wollen die Justiz in den eigenen Dienst stellen und die vierte Gewalt, die verhöhnen sie. Trump bezeichnet ja auch die weltbesten Medien als Fake News. Aktueller könnte die Rolle von guter Information nicht sein. Und aktueller könnte die Sorge um Desinformation nicht sein, denn eine Mischung aus Desinformation und Propaganda, hat zum Teil – es gab auch andere Gründe – zum Erfolg dieses Donald Trump beigetragen”, so de Weck.

Er kündigte für die Tagung einen breit gefächerten Blick über das Thema Desinformation und Information an: So werde es um (neue) Geschäftsmodelle für den Journalismus gehen, den Kampf gegen Desinformation und Propaganda, die Dimension des Digitalen, Pressefreiheit und Journalismus.

Den Auftakt machte der Investigativreporter, Journalist und frühere Chefredakteur Georg Mascolo. Er sprach über die Herausforderungen im Journalismus, besonders in Bezug auf Desinformation und die Notwendigkeit guter Informationen. Er beschrieb seine Erfahrungen als Investigativjournalist – vom Beginn mit der Recherche zu Wikileaks und als gemeinsames Rechercheprojekt von Spiegel, New York Times und Guardian bis hin zu seiner Rolle als Leiter des Rechercheverbunds des NDR, des WDR und der Süddeutschen Zeitung, die etwa zur Aufdeckung der Panama Papers führte. Ein zentrales Thema ist für Mascolo der Quellenschutz und das Verantwortungsgefühl der Journalisten, die wissen sollten, woher ihre Informationen stammen.

Journalismus – mehr als ein Geschäftsmodell

Mascolo hob hervor, dass auch neue Formen des Journalismus wie Correctiv-Recherchen und gemeinnütziger Journalismus wichtig sind. Er äußert Besorgnis über das Sterben von lokalen Zeitungen und betonte die zentrale Funktion des Journalismus. Die digitale Transformation stelle eine große Herausforderung dar. Mascolo wünscht sich in der Politik mehr Elan, um dem Journalismus eine Brücke in das in digitale Zeitalter zu bauen. Auch der Lokaljournalismus müsse unterstützt werden.

Er kritisierte, dass Journalismus oft als Geschäftsmodell betrachtet wird und fordert mehr Unabhängigkeit. Trotz Schrumpfungen auf dem Markt wachse dennoch die Nachfrage nach gutem Journalismus. Essenziell sei, dass Journalisten in ihrer Arbeit Informationen klar von Meinungen trennen sollten. Auch eine gründliche Auseinandersetzung mit eigenen Fehlern sei geboten.

Mascolo erinnerte an die soziale und demokratische Verantwortung des Journalismus. Er ging auch auf Gefahren von Desinformation durch das Internet ein, wie etwa sogenannte Doppelgänger-Kampagnen. Hier werden Nachrichtenportale und Websites von Institutionen so nachgebaut, das auf den ersten (oberflächlichen) Blick nicht zu erkennen ist, dass es sich um einen falschen Zwilling handelt. Die Inhalte dieser Doppelgänger enthalten Falschinformationen und verbreiten Narrative, die Zweifel an liberalen demokratischen Werten säen sollen. Mascolo bezeichnete diese Kampagnen als “letzte Stufe des Angriffs die auf das zielt, was noch als Letztes Glaubwürdigkeit besitzt.”

Umso mehr sind ihm als Journalist Themen wie die Souveränität im Umgang mit Fehlern und die Glaubwürdigkeit wichtig. Er ermutigt dazu, nach abweichenden Meinungen zu suchen und stellt fest, dass guter Journalismus Zeit benötigt und durch vorschnelle Urteile gefährdet wird.

Die Publizistin, Bürgerrechtlerin und Netzaktivistin Katharina Nocun (Mitautorin von “True Facts – Was gegen Verschwörungserzählungen wirklich hilft”) sprach über ihre Erfahrungen mit Desinformation, Verschwörungstheorien und Hass. Sie zeigte sich wenig überrascht von Trumps Erfolg bei der US-Präsidentschaftswahl, da die Medien mehr über seine Desinformation berichten als über konstruktive Initiativen. Die Wählerschaft Trumps ist vielfältig, darunter Evangelikale mit einer rechtskonservativen Agenda. Nocun erzählt von einem Projekt, bei dem sie Menschen besucht hat, die sie online beleidigt haben.

Vertrauensverlust in der Kommunikation

Sie beschreibt das psychologische Phänomen “Blue Lies”, bei dem Lügen akzeptiert werden, wenn sie der eigenen politischen Agenda dienen. Nocun äußert Besorgnis über den Diskurs auf der Plattform X und sieht diese als ungeeignet für gesunde Diskussionen. Sie berichtet auch von digitalem Hass und ihrer Analyse des AfD-Programms aus dem Jahr 2016. Nocun ermutigt zu Zivilcourage und empfiehlt Organisationen zu unterstützen, die rechtlichen Beistand leisten.

Das darauffolgende Podium zum Thema “Information, Desinformation und Medienfreiheit” gab Maria Adebahr und Katja Gloger das Wort. Adebahr arbeitet seit 2007 im Auswärtigen Amt und ist jetzt Cyberbotschafterin. Ihre Aufgabe zeigt, dass der digitale Raum immer wichtiger wird, auch für Kriegsführung und Angriffe auf kritische Infrastrukturen. Sie befindet sich täglich in Koordination mit dem Innenministerium. Auch Adebahr berichtet von einer zunehmenden Destabilisierung und einem Vertrauensverlust in der Kommunikation.

Die Journalistin Katja Gloger, Vorstandssprecherin von “Reporter ohne Grenzen” und langjährige Russland- und USA-Korrespondentin, sprach über die Medienfreiheit und die Meinungsfreiheit. In Russland gebe es kaum Pressefreiheit mehr, viele Journalisten seien ins Exil gegangen. Autoritäre Tendenzen in den Medien wachsen. Gloger arbeitet mit Stiftungen, um neutrale Informationen und Aufklärung über Desinformation zu unterstützen.

Im Gespräch nannte Maria Adebahr Beispiele, wie Russland die Demokratie angreift, etwa durch gefälschte Postings auf Social Media, um die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben (z.B. durch Doppelgänger-Kampagnen). Künstliche Intelligenz wie zum Beispiel auch Bots spielen dabei eine große Rolle.

Um sich zu wehren, gebe es mehrere Ansätze: Regulierung durch den Digital Services Act, Stärkung der Zivilgesellschaft und bessere Selbstkommunikation. Gloger betont die Bedeutung von digitaler Medienkompetenz und dass guter Journalismus seinen Preis hat.

Gemeinnützige Journalismus-Modelle

Im Gespräch mit Roger de Weck stellte Dr. Justus von Daniels, Jurist, Journalist und Chefredakteur von Correctiv, seine Organisation: über 100 Mitarbeitende sind bei Correctiv beschäftigt, von ihnen sind etwa 40 Journalisten. Die Finanzierung erfolgt über eine gemeinnützige GmbH und eine Stiftung. Eine der ersten großen Geschichten war 2014 der Abschuss der MH17. Dabei wurde wo nachgewiesen, dass russische Raketen verantwortlich waren.

Von Daniels macht sich für gemeinnützige Modelle im Journalismus stark. Gemeinnützigkeit schaffe Rahmenbedingungen, die wiederum Erleichterung bringen kann. Auf der Tagung beschrieb er die Skepsis, die der Gemeinnützigkeit in der Branche entgegenschlägt. Es gebe ein “sehr verankertes, konservatives Denken, was Medien angeht”, so von Daniels. Leider sei es auch nicht gelungen, in der Ampel-Koalition das Thema gemeinnütziger Journalismus zu platzieren. Hinzu komme, dass sich zu wenige Stiftungen in Deutschland politisch positionieren und engagieren.

Als gutes Modell beschrieb von Daniels das dänische System mit staatlichen Subventionen für Verlage, was zu mehr Vielfalt geführt hat. Daniels betont, dass er staatsfern bleiben möchte, sieht aber die Rolle der Medien als wichtig.

So bietet Correctiv mehr als nur investigative Berichterstattung. Das gemeinnützige Medienunternehmen engagiert sich auch in den Bereichen Medienbildung und Faktenprüfung. Ein Beispiel für Bürgerbeteiligung ist die Geschichte “Wem gehört Hamburg?”. Er kritisiert die Aussage, Faktenchecker seien parteiisch und betont die EU-weite Charta des Faktencheckings. Correctiv nutzt auch “Pre-Bunking”, um im Voraus über wichtige Themen zu informieren.

Oberst Dr. Johann Schmid vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam sowie Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam sprach über die Herausforderungen der hybriden Kriegsführung. Demnach gibt es drei Hauptprobleme:

  1. Die Ausweitung des Gefechtsfeldes auf nicht-militärische Entscheidungen.
  2. Schattenkriegsführung (Conduct of operations)
  3. Die unorthodoxe Nutzung von Mitteln und Methoden.

Er betont, dass Desinformation eine wichtige Rolle spielt, um Verwirrung herzustellen. Schmid zitierte den Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz (1780-1831) und erklärte, dass sich friedliebende Nationen vorbereiten müssen. Zudem wies er darauf hin, dass die Wahrnehmung von Wahrheit und Verschwörung in der heutigen Zeit problematisch ist und wir selbst Einfluss auf die Wirksamkeit hybrider Aggressoren haben.

Kluft zwischen Redaktionen und Publikum

Maria Exner, Journalistin und Gründungsintendantin von Publix (Haus des Journalismus) in Berlin erläuterte im Gespräch mit der BR-Redakteurin Sybille Giel den zukünftigen Journalismus und die Veränderungen im Konsumverhalten, besonders bei unter 30-Jährigen. Die Hauptfrage sei, wie Journalist:innen die Kluft zwischen Redaktionen und Publikum überbrücken können. Es bestehe ein Bedarf an neuen Formaten und Kanälen. Darüber hinaus hätten viele Influencer keine journalistische Ausbildung. Exner berichtete von einem Erfolgsprojekt, das sie zuvor bei der “Zeit” betreut hatte. Um mehr Augenhöhe zu erzeugen, habe man mit Zeit Campus Online ein Printprodukt in die digitale Welt geholt und junge Menschen selbst Inhalte schreiben lassen, die die Redaktion dann journalistisch überprüfte.

Das Projekt Publix, das sie seit 2024 leitet, bringt Menschen, die im Journalismus tätig sind, an einem Ort zusammen. Die Ziele sind die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die Erhöhung der Medienkompetenz und Vielfalt sowie die Förderung von Diversity. Publix wird von der Schöpflin-Stiftung finanziert, soll sich aber perspektivisch selbst tragen. Es gibt auch einen Fokus auf Angebote in verschiedenen Sprachen für Einwanderer. Exner forderte Kriterien für gemeinwohlorientierten Journalismus.

Prof. Dr. Nobert Frei, Inhaber der Seniorprofessur Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und unter anderem Mitautor von “Journalismus im Dritten Reich” und “Bertelsmann im Dritten Reich” widmete sich in seinem Vortrag dem Thema Propaganda. Donald Trump habe die Möglichkeiten der propagandistischen Mittel auf ein neues Niveau gehoben. Dennoch lohne sich auch ein Rückblick auf das Thema, um Fakten in Erinnerung zu rufen. Häufig äußern sich Experten wie Timothy Snyder und Robert Paxton, letzterer hat vor zwanzig Jahren umfassend über autoritäre Bewegungen in Europa geschrieben. Paxton, der anfänglich zögerte, sieht nach dem Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 keinen Zweifel mehr daran, dass dies eine besorgniserregende Entwicklung darstellt.

Ein zentrales Merkmal von Faschismus sei der Einsatz von Propaganda, wie bereits bei Mussolini und Hitler, so Frei. Donald Trump und seine Unterstützer haben durch ihren Wahlkampf neue Maße der Verleugnung und Verdrehung von Tatsachen etabliert, wodurch die Trennung zwischen Wahrheit und Lüge zunehmend verschwindet. Die Frage nach der Relevanz der Geschichte der 1920er und 1930er Jahre wird aufgeworfen, da in der heutigen Zeit durch soziale Medien alles möglich scheint, in einer Art, die über Orwells “1984” hinausgeht.

Rückkehr der Propaganda?

War Trumps Wahlerfolg nur ein Resultat von Propaganda war oder auch eine Folge der sozialen Vernachlässigung der einfachen Leute? Wie sah es vor 100 Jahren aus? Um die Erfolge der NSDAP als Propagandabewegung zu verstehen, müsse Adolf Hitlers Talent als Redner verstanden werden. Hitler machte die kleine Deutsche Arbeiterpartei schnell bekannt und nutzte verschiedene Mittel, um die NSDAP auf die Straße und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, auch durch emotional ansprechende Reden.

Die NSDAP hat ihre Strategie während der Weimarer Republik genutzt, um ihre Infrastruktur und Propaganda auszubauen, indem sie grundlegende Wissensstände in Sachen Kampagnenarbeit festlegte. Der Fokus lag nicht auf einem konsistenten Programm, sondern auf der kontinuierlichen Stimulierung der Bewegung und der Professionalisierung ihrer Mitglieder. So schaffte die NSDAP es, in der Wählergunst zu steigen, noch bevor die Wirtschaftskrise eintrat, was darauf hindeutet, dass die Entwicklung unter Trump nicht zu einem ähnlichen Punkt führen muss.

Frei wies in der anschließenden Debatte zugleich darauf hin, dass wir uns heute in einer grundsätzlich veränderten Kommunikationssituation befinden – nicht nur technisch. Es gebe einen Prozess der “Entabsolutierung von Wahrheit” sowie eine Pluralisierung von Wahrheit. Die Gesellschaft sei langsam in die Situation “hineingeschlittert”. “Wir haben uns auf das Funktionieren unserer gut ausgestatteten kommunikativen Demokratie verlassen.” Außerdem sei es zu lange versäumt worden, das Internet zu regulieren.

Die digitalpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Anke Domscheit-Berg MdB und der medienpolitische Sprecher der FDP, Thomas Hacker MdB, diskutieren in einem Podium die Rolle der Medien- und Digitalpolitik. Domscheit-Berg betonte, dass die Digitalisierung schnell voranschreitet, während die Regulierung nur langsam erfolgt. Sie weist auf die extreme Marktkonzentration hin, bei der die meisten der größten Unternehmen digital sind, was die Demokratie gefährden kann. Ein Beispiel dafür sei der Unternehmer Elon Musk, der falsche Informationen auf Twitter verbreite, ohne dass eine Korrektur möglich ist. Domscheit-Berg hofft auf den Digital Services Act (DSA) und fordert ein europäisches Sicherheitssystem.

Das Problem mit der Regulierung

Hacker kritisierte die ungleiche Bedeutung der Medienfreiheit in Europa und die komplizierte Medienaufsicht in Deutschland. Er nannte verschiedene Regelungen wie den European Media Freedom Act, den Digital Services Act, die KI-Verordnung der EU und weitere bei denen es darauf ankomme, wie sie lokal umgesetzt werden.

Domscheit-Berg sprach auch die Abhängigkeiten zwischen Politik und sozialen Medien an. Sie sagte: “Wir haben einen sehr stark datengetriebenen Kapitalismus.” Daten gebe es überall, doch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) decke nicht alle Bereiche ab. Wenn es personalisierte Online-Werbung über Algorithmen nicht mehr gäbe, dann wäre nach der Auffassung Domscheit-Bergs ein großes Problem gelöst.

Gleichzeitig betonten beide Politiker die Wichtigkeit des Lokaljournalismus und plädierten für die Unterstützung von gemeinnützigem Journalismus, um die Vielfalt zu fördern.

Priv.-Doz. Dr. Claudia Paganini, Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie München, thematisierte in ihrem Vortrag Medienethik und die Schwierigkeiten in der Praxis. Sie stellte Fragen zur Wahrhaftigkeit und zur Definition von Lügen und beleuchtete verschiedene Kriterien wie Sprache, Wahrheitsanspruch, Absicht zu täuschen und mögliche Schäden. In der zeitgenössischen Diskussion wird die Fähigkeit zu täuschen und der Kontext als entscheidend angesehen. Verschiedene Philosophen wie Nietzsche, Kant und Max Scheler bringen unterschiedliche Perspektiven zur Lüge ein, wobei der Kontext eine zentrale Rolle spielt.

Paganini hob hervor, dass jede Gemeinschaft gewisse Standards an Zuverlässigkeit brauche, um zu existieren. Desinformation wird als aktuelles Problem betrachtet, das durch einen Mangel an Wahrheit und den Wunsch nach Wahrhaftigkeit gekennzeichnet ist. Es besteht die Gefahr, dass Fake News geglaubt werden, wenn sie häufig verbreitet werden und die eigene Meinung unterstützen.

Besonders in der Corona-Pandemie zeigte sich die Herausforderung, Desinformation zu begegnen. Desinformation spiegele auch Missverständnisse in der Kommunikation und einen Mangel an Wertschätzung wider. Zudem wird überlegt, warum Menschen anfällig für Desinformation sind und wie man dem entgegenwirken kann.

Auch Paganini sprach sich für Gesetze und Regulierungen aus, um zum Beispiel HateSpeech zu begegnen. Auch brauche es technische Lösungen und Schutz im Vorhinein. Am wichtigsten jedoch sei Medienkompetenz.

Dorothea Grass

 

Berichterstattung in den Medien

  • Sonntagsblatt vom 16.11.2024: “Mascolo: Lokaljournalismus wichtiger Faktor für Demokratie”, Artikel hier abrufen
  • Süddeutsche Zeitung vom 22.11.2024: Donald Trump und seine Helfer nutzen Propaganda in einer Weise, wie man sie von faschistischen Bewegungen kannte”, Meinungsbeitrag von Norbert Frei basierend auf dem Vortrag der Tagung, hier abrufen

Bild: Sybille Giel, Journalistin und Katharina Nocun, Publizistin, Buergerrechtlerin, Netzaktivistin, Mitautorin von “True Facts – Was gegen Verschwoerungserzaehlungen wirklich hilft” im Politischen Club am 16.11.2024. (Foto: Oryk Haist/eat archiv)

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