„Der Natur Luft und Raum lassen“
Christine Singer bewirtschaftet mit ihrer Familie einen Milchviehbetrieb in Hofheim am Riegsee. Sie kommt nicht ursprünglich aus der Landwirtschaft. Bevor sie ihren Mann kennenlernte, arbeitete sie in einer Bank. Nach der Einheirat auf den Hof absolvierte sie eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin und merkte: Landwirtschaft ist ihre Leidenschaft.
Wenn man in den oberbayerischen Pfaffenwinkel fährt, diese moränenhügelige Voralpenlandschaft grob zwischen Riegsee im Osten und Staffelsee in Westen, oder auch zwischen Benediktbeuern und Murnau, dann tut sich grad auf der Höhe von Aidling und Hofheim ein Panorama bis zum Garmischer Talkessel und dem Wettersteingebirge samt der Zugspitze auf. Doch auch in dieses Idyll ist Corona eingebrochen. Im Unterschied zum städtischen, industriellen Leben gibt es aber auf dem Bauernhof keinen Lockdown. Die Tiere, die Wiesen und Äcker, Weiden und Weiher, die Wälder und Fluren fordern tagtäglich viel Arbeit. Zudem verwundete Corona mit einem Riss auch das Bauernleben zu einem Zeitpunkt, als die Landwirtschaft selbst im Brennpunkt der Tagesaktualität in den Medien war.
Wenn jemand die Frauenpower hat, die Erzeugung von Lebensmitteln und deren Verarbeitung, die Pflege der solidarischen Gemeinschaft, der Kulturlandschaft und die Bewahrung der Natur als Herzensangelegenheit zu betreiben und zugleich die Menschen für das, was Landwirtschaft leistet, zu begeistern, dann ist es gewiss auch die Hauswirtschaftsmeisterin, Referentin für Ernährung, die zertifizierte Garten und Erlebnisbäuerin Christine Singer, die auch noch ehrenamtlich sich als 1. stv. Landes- und Bezirksbäuerin von Oberbayern im Bayerischen Bauernverband und in der Kommunalpolitik engagiert. Ja, die Landwirtschaft zwischen Tradition und Moderne, Folklore und Hightech, welche Zukunft wird sie als Schlüsselgewerk, als Nährstand neben Lehrstand und Wehrstand für unser aller täglich Brot leisten und unsere Zusammenleben gestalten?
Im Gespräch, das wir im Mai in der Rotunde der Evangelischen Akademie Tutzing aufnahmen, sagte sie: „Wir müssen einen Weg finden, in der wir der Natur Luft und Raum lassen.“ Sie hofft, dass Corona die Menschen wieder näher zurück zu ihren Wurzeln, zur Natur, Flora und Fauna bringt – und sie respektiert, auch mit ihren Grenzen.
Dr. phil. Jochen Wagner,
Studienleiter an der Evangelischen Akademie Tutzing
Hinweis: Hier können Sie das Video-Interview mit Christine Singer auf YouTube ansehen.
Bild: Christine Singer im Mai 2020 in der Evangelischen Akademie Tutzing (Foto: ma/eat archiv)