Das Unten, das Oben – und die Ausbeutung
Die Corona-Pandemie – sie könnte „vielleicht heilsam“ sein. Richard Mergner, der Vorsitzende des BUND Naturschutz in Bayern, formuliert üblicherweise mit deutlichen Worten seine Position. Sein Urteil über die Bedeutung der Pandemie ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
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Im „RotundeTalk“ der Evangelischen Akademie Tutzing weist er darauf hin, dass es schon vor Corona Krisen gab, zum Beispiel im Zusammenhang mit Klima und Migration. Krisen, die nach wie vor nicht überwunden sind. Ihnen gemeinsam ist, dass Mensch und Natur ausgebeutet werden. „Unsere Art zu wirtschaften, verursacht massive Fehlentwicklungen.“ Die Globalisierung, von der Richard Mergner spricht, ist daran aber nicht schuld. Denn sie fördert das friedliche Zusammenleben und sorgt durch den Austausch von Informationen und Ideen, wie die Welt weniger krisenanfällig werden könnte. Jene Globalisierung aber, die die Ausbeutung der Natur vorantreibt, fördert auch ihre Krisenanfälligkeit. Das Covid-19-Virus zeige, dass Viren, die in der Natur selbst nicht gefährlich seien, ihre Gefahr aber entfalteten, je tiefer der Mensch in diese Natur eindringe. Um dieses Bedrohungspotenzial zu entschärfen, müsse man sich die Strukturen genauer anschauen. Und die sind alles andere als gut.
Richard Mergner greift im Blick auf die Entwicklungen der Fleischindustrie gerne das Schlagwort einer „Spiegel“-Titelstory auf: „Schweinesystem“. Dass sich da etwas ändern müsse, sei seit langem klar. Doch die Politik, die seit Jahren um die skandalösen Zustände wisse, handle nicht angemessen. Dass der Verbraucher es richten könne, sieht Mergner nicht. Denn der wisse ja nichts über die Produktionsbedingungen. Mehr noch: „Der Preis sagt weder die soziale noch die ökologische Wahrheit.“ Hier seien Änderungen nötig. Nach wir vor fehle die Transparenz. Zum Beispiel bei der Hühnerei-Produktion. Zwar sei die Käfighaltung zurückgegangen. Doch die Eier aus dieser Haltung landeten eben in den Nudeln. „Auf den Verpackungen steht es aber nicht, denn die Kennzeichnungspflicht fehlt“, moniert Mergner. Sicher sein könne sich der Kunde nur, wenn er Bio-Produkte kaufe. Hier seien die Produktionsbedingungen bekannt. Alles andere hingegen sei eine Black Box. Man weiß nicht, was drin ist.
Dass sich doch etwas bewegt – auch in der Politik –, erkennt Mergner durchaus an. Vor einem Jahr machte der Bayerische Landtag das Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!“ zum Gesetz. Mit der Umsetzung hadert er ein wenig. Sie geht ihm – auch wegen Corona – zu langsam voran. Sein Appell an die Politik: „Es muss schneller gehen.“ Der Protest der Agrar-Lobby ist für ihn „Ausdruck ökonomischer Not“. Deshalb sei es ja so wichtig, die Fehlentwicklungen zu beheben. Denn das nütze am Ende allen.
Die Welt nach Corona – wie wird sie aussehen? Richard Mergners „große Sorge“: „Wer unten ist, dem wird es noch schlechter gehen; den anderen, die oben sind, besser.“ Kein Zweifel: Der Vorsitzende des BUND Naturschutz in Bayern will genau das verhindern. Projekte gibt es genug: Der Erhalt eines regionalen Krankenhauses ist wichtiger als eine sechsspurige Autobahn, gibt er sich kämpferisch.
Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Das vollständige Interview mit Richard Mergner ist auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Akademie Tutzing (#EATutzing) abrufbar.
Bild: Richard Mergner, BUND Naturschutz Bayern (Foto: ma/eat archiv)
Im Gespräch für den “RotundeTalk”: Akademiedirektor Udo Hahn (rechts im Bild) und Gast Richard Mergner. (Foto: ma/eat archiv)