Das Netz nutzen, heißt Verantwortung lernen
Auf dem 6. Medienforum der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern appellierte der Journalist und Blogger Richard Gutjahr beim Abschlusspodium an das Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den neuen Medien. Mit Smartphones könne man Leben zerstören, so Gutjahr. Er plädiert für digitale Empathie.
Der Journalist Richard Gutjahr hat an das Verantwortungsgefühl der Menschen im Umgang mit der Internet-Technologie appelliert. “Mit den Smartphones haben wir alle eine Waffe in die Hand gedrückt bekommen”, sagte er beim Medienforum der bayerischen Landeskirche am Freitag in der Evangelischen Akademie Tutzing. “Wir können damit Leben zerstören. Aber niemand hat uns erklärt, wie wir verantwortungsvoll damit umgehen!”
Hassgedanken breiteten sich über Internetplattformen rasant wie Buschfeuer aus, so Gutjahr. Mobile Geräte und die Verbindung mit dem weltweiten Netz verliehen Menschen Macht mit einem großen Wirkungskreis. Gehört werde, wer die rote Linie immer weiter überschreitet: “Das steigert das Klima im Land.” Man dürfe das Internet als Raum der Zukunft nicht den “Hatern” und Demagogen überlassen, sondern müsse sich einmischen und dagegenhalten. Gutjahr bezeichnete dies auch als “Grundlagenarbeit für die nachfolgenden Generationen”.
Auch Oberkirchenrat Detlev Bierbaum forderte mehr Empathie und gegenseitigen Respekt bei der Kommunikation im Internet. Man müsse sein Mitgefühl für Opfer von digitalem Hass zum Ausdruck bringen und könne sich auch streiten, ohne dem anderen die Würde zu nehmen, sagte der Theologe.
Auch die Kirche als Institution ist gefordert
Das Netz und die Sozialen Medien hätten dem mittelalterlichen Pranger eine Renaissance verschafft – in Form von Hetze gegenüber Minderheiten, Mobbing und Shitstorms, sagte Bierbaum. Er sieht Bildungseinrichtungen in der Pflicht, Kindern ein gesundes Selbstwertgefühl zu vermitteln, um dem Trend zur Selbstinszenierung im Netz entgegenzuwirken. Auch die Kirche als Institution müsse sich immer mehr einbringen.
Am Beispiel von Facebook hatte der Münchner Journalist Till Krause am ersten Forumstag erläutert, wie die “digitale Müllabfuhr” von problematischen Inhalten erfolge. In seinen investigativen Recherchen für das SZ-Magazin sprach Krause mit Facebook-Mitarbeitern, die als Content-Moderatoren arbeiten. Rund 7.500 Moderatoren seien weltweit damit beschäftigt, gemeldete Inhalte auf ihre Facebook-Tauglichkeit zu überprüfen. Täglich müssten sie sich Bilder und Videos von Hinrichtungen, Verbrechen, Vergewaltigungen oder Enthauptungen anschauen.
Viele Content-Moderatoren würden unter ihrer Arbeit leiden und zeigten körperliche Verfallserscheinungen: Sie leiden an Haarausfall oder bekommen Alpträume von den Bildern, die sie täglich anschauen müssen. Inzwischen gebe es eine Sammelklage einiger Mitarbeiter. Doch sei das Problem damit noch nicht gelöst. Denn es gebe es kein Gremium, das Einblick bekomme in das Regelwerk des Unternehmens. “Die Löschregeln sind verborgen, die Nutzer sehen nur das Resultat”, kritisierte Krause.
Lehrende sollten bei der Medienbildung unterstützt werden
Zur Prävention gegen Gewalt und Hass sprach sich der Religionspädagoge Jens Jürgen Palkowitsch-Kühl für eine bessere Medienbildung von Kindern und Jugendlichen aus: “Die jüngere Generation der Lehrerinnen und Lehrer, die man als Digital Natives bezeichnet, ist nicht unbedingt kompetenter bei der Nutzung von digitalen Medien”. Lehrende müssten deshalb bei der Medienbildung unterstützt werden. Umgekehrt dürften im Schulunterricht die Alltagserfahrungen der Jugendlichen mit dem Smartphone und der Nutzung von Apps nicht “pathologisiert” werden. Vielmehr sollte mit ihnen über verschiedene Handlungsmöglichkeiten diskutiert werden. “Oft hilft es schon, den Jugendlichen die Ambivalenz der Medien darzustellen”, so Palkowitsch-Kühl.
Das Medienforum der bayerischen evangelischen Landeskirche fand am Donnerstag und Freitag zum sechsten Mal in der Evangelischen Akademie Tutzing statt. Es stand unter dem Titel “Porno, Ballerspiele, Hassportal: Wie verdorben ist das Internet”. Veranstalter des Medienforums waren die bayerische evangelische Landeskirche, die Akademie Tutzing und die Abteilung für Christliche Publizistik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Christina Geisler / EPV