Akademiedirektor Udo Hahn hält Kommentar „Zum Sonntag“ auf Bayern-2-Radio
Vom Bruttosozialprodukt zum Brutto-Glück
In der Liste der Gedenktage der Vereinten Nationen gibt es ihn erst seit 2013 – den Welttag des Glücks, der immer am 20. März begangen wird. Initiiert wurde er vom Königreich Bhutan, einem kleinen Staat in Südasien, gerademal so groß wie die Schweiz. Die Idee lautet kurz gefasst so: Das Bruttosozialprodukt beschreibt nur die ökonomische Kraft eines Landes. Viel aussagekräftiger ist es, Soziales, Wirtschaft und Umwelt zusammen zu sehen – und so das Brutto-Glück zu messen. Da ist was dran. Und richtig ist auch, dass das Streben nach Glück nichts Banales ist, sondern zutiefst menschlich und weltweit ausgeprägt.
Nimmt man vor diesem Hintergrund Maß, dann ist das Ergebnis des „World Happiness Reports 2017“ keineswegs überraschend. Glückliche Länder sind jene, in denen es stabile Lebensverhältnisse gibt, viel Wohlstand, wenig Ungleichheit sowie Vertrauen in die politische und gesellschaftliche Entwicklung. Kein Wunder also, dass die glücklichsten Menschen im Norden Europas leben. Spitzenreiter ist Norwegen, gefolgt von Dänemark und Island, der Schweiz sowie Finnland, den Niederlanden, Kanada und Neuseeland.
Und es überrascht auch nicht, dass laut „World Happiness Bericht 2017“ jene Menschen am wenigsten Glück empfinden, die in der Zentralafrikanischen Republik, in Burundi und Tansania leben. Die meisten Länder der hinteren Ränge befinden sich in Afrika. Dazu kommen noch Bürgerkriegsländer wie Syrien, Afghanistan, Ukraine, Jemen sowie Haiti.
Dass Glück und steigende Einkommen nur bedingt zusammenhängen, lässt sich auch am Beispiel Chinas zeigen, das in dieser Statistik Rang 79 belegt. Obwohl sich das Bruttosozialprodukt seit Anfang der 1990er Jahre verfünffacht hat und fast jeder städtische Haushalt heute über Fernseher, Waschmaschine und Kühlschrank verfügt, ist China beim Glücks-Index abgerutscht.
Deutschland stagniert, wie es heißt, auf Platz 16 – hinter den USA, Israel und Costa Rica, aber vor Großbritannien und Frankreich. Eine andere Studie kommt gerade zu dem Ergebnis, dass die Deutschen heute durchaus zufriedener seien als zu jedem anderen Zeitpunkt nach der Wiedervereinigung. Das ist kein Widerspruch, denn im weltweiten Maßstab ist Platz 16 nicht schlecht.
Wollten die Deutschen beim Wettbewerb um das glücklichste Land der Welt künftig deutlich besser abschneiden, dann müssen sie an ihrer Einstellung arbeiten. Auf die Frage, ob das Glas halbvoll oder halbleer sei, lautet die gefühlte Mehrheitsmeinung der Deutschen: halbleer. So kommt man aber nicht unter die Top-Ten.
Vielleicht halten es die Deutschen mit dem Philosophen Arthur Schopenhauer. Er nannte die Einschätzung, dass der Mensch nur dazu da sei, um glücklich zu sein, einen „angeborenen Irrtum“. Der Volksmund reimt deshalb weise: „Glück und Glas, wie leicht bricht das.“ Er kennt aber auch die Erfahrung: „Dem Glücklichen schlägt keine Stunde.“
Kann man Glück machen? Die Ratgeberliteratur ist voller Tipps, als könnte tatsächlich jeder seines Glückes Schmied sein. Glück ist – so die Forschung – nicht einfach Schicksal, eine willkürliche Macht, die dem einen gibt, dem anderen nicht. Für sein Glück kann jeder arbeiten – aber machen kann er es nicht. Glück ist unverfügbar – ein Geschenk. Auf den Punkt gebracht: Glück ist kein individuelles Schicksal, vielmehr eine Frage des Miteinanders der Menschen.
Und daran hapert es, wie man von dem dänischen Theologen Sören Kierkegaard lernen kann. Er schreibt: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ Klar: Wer nicht mit sich selbst im Einklang lebt, steht in der Gefahr, immer nur auf andere zu schauen. Er kann sich nicht über das freuen, was ihm selbst gelingt.
Selbstbild und Fremdwahrnehmung klaffen im Blick auf Deutschland tatsächlich auseinander. Darauf hat Frank-Walter Steinmeier in seiner ersten Rede nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten hingewiesen. Deutschland sei, so sagte er, in „stürmischen Zeiten“ für viele Menschen in der Welt zu einem „Anker der Hoffnung“ geworden. Das hat seinen Grund in den stabilen Lebensverhältnissen. Tatsächlich bewerten die Deutschen ihre persönliche Situation stets besser – und die allgemeine Lage und die Aussichten eher schlechter.
Gewiss, die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen sind auch hierzulande gewichtig. Sich selbstzufrieden zurück zu lehnen, das ist keine angemessene Haltung. Aber dankbar sein, gelassen bleiben, sich an den kleinen Dingen erfreuen – wer diesen Dreiklang verinnerlicht, der wird sich nicht nur glücklich fühlen, er ist es auch.
Der Kommentar „Zum Sonntag“ wird auf Bayern 2-Radio gesendet am Samstag, den 25.03.2017, von 17:55 bis 18:00 Uhr.
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Foto: Akademiedirektor Udo Hahn (c) Haist