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Lebenssatt oder Lebensmüde?
„Nicht mal sterben darf man in diesem Land“, so kommentierte der Bewohner eines Pflegeheimes seine Rückkehr aus der Psychiatrie, in die er nach misslungenem Selbsttötungsversuch verlegt worden war. Manche Menschen wollen sterben. Dem begegnen wir immer wieder. So unverständlich dies der einen oder anderen von uns erscheint, so verständlich scheint es manchmal, wenn man sich mit dem Schicksal und dem alltäglichen Leid dieser Menschen beschäftigt. Manchmal sind es Patienten oder Patientinnen, die trotz guter Palliativversorgung unter starken Schmerzen leiden, weil diese medizinisch einfach nicht beherrschbar sind. Manchmal sind es alte oder hochbetagte Menschen, die des Lebens und seiner Lasten müde geworden sind. Manchmal sind es Menschen, die eigentlich zufrieden auf ihr Leben blicken und dennoch der festen Überzeugung sind, dass es genug ist. Zwischen lebenssatt und lebensmüde lässt sich manchmal nur schwer unterscheiden.
„Lasst mich halt sterben!“ Solche Sätze schrecken auf. Rat- und Hilflosigkeit machen sich breit, wenn alte Menschen sterben wollen, wenn sich Heimbewohner suizidieren, wenn Hochbetagte in ihrer Wohnung unter Vereinsamung leiden und den Tod als Erlösung empfinden. Solche Sätze tun weh, wenn für Patienten – auch auf Palliativstationen und unter guter Hospizbegleitung – alles Menschenmögliche getan wird, und sie trotzdem gehen wollen. Wir ahnen, dass die Betroffenen ihre Lage als aussichtslos empfinden.
„Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen.“ So sagte der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler 2005 bei einer Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz. Die Debatten werden kontrovers geführt. Während mancher für die freie Wahl des eigenen Todes plädiert oder gar der Gesellschaft die Pflicht zur Hilfe bei diesem letzten Schritt zuschreibt, deuten andere den Todeswunsch generell als Krankheit, z.B. als Depression, die es zu heilen, wenigstens zu lindern gilt. Einfühlsame Begleiterinnen spüren die Ambivalenz und sind oft ratlos. Wenn Menschen sterben wollen und dies auch sagen, belastet das Freunde und Familien. Auch Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte und andere Begleiter leiden unter solchen Wünschen ihrer Patienten. Darüber muss gesprochen werden!
Zum 7. Mal in Folge laden wir im April zum Fachtag Ethik in die Evangelische Akademie Tutzing ein. Wir freuen uns auf regen Zulauf, lehrreiche Vorträge, spannende Workshops und auf anregende Diskussionen.
Dr. med. Thomas Binsack ehem. Stiftungsratsvorsitzender, Bayerische Stiftung Hospiz
Pfr. Frank Kittelberger Studienleiter, Evangelische Akademie Tutzing