Gesellschaftlicher Diskurs über Algorithmen nötig – Astrophysiker Lesch hielt Kanzelrede
Die Gesellschaft muss sich nach Auffassung des Astrophysikers Prof. Dr. Harald Lesch intensiver mit dem Zweck und den Folgen der Digitalisierung beschäftigen. Unter Anspielung auf einen Werbeslogan einer Partei, den er mit den Worten „Digitalisierung first – Gehirn einschalten second“ ironisch aufgriff, warnte er vor einer unkritischen Haltung gegenüber einer Entwicklung, die nahezu alle Lebensbereiche bereits erfasst habe. In seiner Kanzelrede, die er auf Einladung der Evangelischen Akademie Tutzing und ihres Freundeskreises am 15. April in der Erlöserkirche in München hielt, sagte Lesch, es brauche den Diskurs insbesondere über den Einsatz von Algorithmen. Er halte es für problematisch, dass die Frage, was Algorithmen machen, wenn sie Entscheidungen treffen, unbeantwortet bleibe. „Wir können das leider nie erfahren, denn Algorithmen können ihre Entscheidungen und Urteile nicht begründen“, so der Wissenschaftspublizist und Fernsehmoderator. „Damit stehen wir an einem Kreuzweg der abendländischen Zivilisation, die sich durch die mittelalterliche Scholastik genauso wie die Aufklärungsphilosophie der Vernunft als Begründungsdimension verschrieben hat.“ Sowohl bei Glaubens- wie bei Wissensfragen seien begründete Urteile in unserer Kultur immer ausschlaggebend gewesen. Letztlich sei Rechtsstaatlichkeit ohne Begründung unmöglich. Und Gleiches gelte für das gesamte Projekt der Aufklärung und ihre Institutionen: „Wenn Algorithmen Probleme lösen, ohne erklären zu können wie und warum, dann sind diese Problemlösungen nicht mehr kommunizierbar und nicht mehr zu unterrichten.“
Überdies seien Algorithmen nicht in der Lage, die existentiellen Fragen der Menschen zu beantworten, so Lesch in der voll besetzten Erlöserkirche. „Alles, was unser Leben qualitativ einzigartig macht, ist nicht in Algorithmen auszudrücken“, betonte er und verwies auf ein Bibelwort aus dem Neuen Testament, das Glaube, Hoffnung und Liebe (1. Korinther 13,13) zum Maßstab mache.
Hier können Sie die Begrüßung von Akademiedirektor Udo Hahn nachlesen.
Die Kanzelrede ist für Sie als Audiodatei abrufbar. Bitte beachten Sie die Reihenfolge: