Ökonomen Sturn und Klüh sprechen von einer “Fetischisierung des Finanzsystems”
Was bedeutet es eigentlich, eine Transformation zu “finanzieren”? Und warum haben sich die Versprechen von Akteuren des Finanzmarktes, des Staates und überstaatlicher Institutionen bislang als leere Worte erwiesen? Die Ökonomen Richard Sturn und Ulrich Klüh sehen bereits im Begriff “Finanzierung” und seiner politischen Verwendung ein Problem.
“Wenn im allgemeinen Sprachgebrauch von ‘Finanzierung’ die Rede ist, denken die meisten Menschen an die Beschaffung eines Geldbetrages, mit dem man eine größere Anschaffung oder ein größeres Projekt stemmen kann. Die Geldmittel stammen dabei entweder aus Ersparnissen oder aus einer Kreditvergabe durch Banken. ‘Finanzierung’ steht somit meist für eine im weitesten Sinne privatwirtschaftliche Aktivität”, schreiben Prof. Dr. Ulrich Klüh von der Hochschule Darmstadt und Prof. Dr. Richard Sturn von der Universität Graz. Hier handelt sich jedoch nach Auffassung der beiden Forscher bei dem Begriff selbst um ein “leeres Wort”– “einen ‘Slogan’ ohne festgelegte Bedeutung”, ein “bedeutungsoffenes ‘Label'”, das auf unterschiedlichste Weise interpretiert und für verschiedenste Agenden benutzt werden könne.
In ihrem Artikel “Leere Worte” beschreiben sie die “Finanzierung” der Nachhaltigkeitstransformation als politisches Problem mit mehreren Aspekten. Sturn und Klüh nennen drei Gründe, warum sich bislang Finanzierungsmodelle sowohl privater als auch öffentlicher Akteure als leere Worte erwiesen haben: erstens wegen der Gleichsetzung von Finanzierungsfragen mit Fragen der Geldbeschaffung, zweitens aufgrund der Ausblendung von Machtdynamiken und drittens, weil auch Fragen der Verteilung eine Rolle spielen.
“Das Finanzsystem ist mithin Kristallisationskern eines hegemonialen Diskurses, der Macht- und Verteilungsfragen verschleiert. Stattdessen werden ‘Gott und die Welt’ in die Sphäre marktförmiger, auf den ersten Blick ‘neutraler’ und ‘fairer’ Bewertungen gebracht. Es kommt zu einer Fetischisierung des Finanzsystems, wie sie etwa der Begeisterung über handelbare Emissionsrechte zugrunde liegt”, so Sturn und Klüh.
Damit die sozial-ökologische Transformation gelingen kann, sei es unumgänglich, “das Finanzielle” als Kombination der genannten Aspekte zu begreifen: “Als Ausdruck realer Machtverhältnisse, konfliktreicher Verteilungsprobleme und als Medium realwirtschaftlicher Ressourcenumschichtungen – im besten Fall in Richtung transformatorischer Prozesse des Wandels.” Alle drei Aspekte seien miteinander verwoben.
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“Finanzpolitik für die Transformation” heißt die Tagung, die vom 10. bis 12. März 2025 in der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema stattfindet. Sie widmet sich privaten, öffentlichen und hybriden Finanzierungsformen sowie Finanzpolitik und -systemen in der Transformation. Alle Infos zum Programm der Tagung und den Anmeldemodalitäten finden Sie hier.