UND ICH ÖFFNE STILL IM HERZEN ALLES, ALLES DIESEM BLICK.
Joseph von Eichendorff
Joseph von Eichendorff
Das Auge, dieser Blick! Etwas Besonderes liegt darin. Was, ist schwer zu ergründen. Dass das unbekannte „Mädchen mit dem Perlenohrring“ zur Mona Lisa des Nordens werden konnte, ist sicher auch diesem, über die Schulter geworfenen Blick zu verdanken: wach, überrascht und doch nicht verschreckt. Etwas Aufforderndes und zugleich Abweisendes spricht daraus: Blicken wir in sie hinein oder sie in uns? Halb zugewandt, halb abgewandt friert der niederländische Meister sein Modell in der Bewegung ein. Ein Blickwechsel, so flüchtig wie ein Wimperschlag. Ein Augenblick nur – für die Ewigkeit in Öl auf Leinwand gebannt.
„Wie in einem Spiegel gewahrt man in den Augen das Innere des Menschen.“ Das wusste nicht zuletzt der Bruder Sissis, Carl Theodor Herzog in Bayern. Er machte sich als renommierter Augenarzt einen Namen, wurde Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Leopoldina. Ende des 19. Jahrhunderts gründete er zusammen mit seiner Frau Marie José von Portugal die bis heute bestehende Augenklinik Herzog Carl Theodor in der Münchner Maxvorstadt. Hier operierte er bereits um 1900 tausendfach Starerkrankungen – bei Menschen, die sich das nicht leisten konnten, auch kostenlos.
Das Auge als „Spiegel der Seele“, wie Carl Theodor meint? Können wir wirklich in das Innere eines Menschen hineinsehen? Oder sehen wir am Ende doch nur, was vor Augen ist, und – wenn überhaupt – Gott allein das Herz an? Wie Thomas, der zweifelnde Jünger, glauben wir aufgeklärte Menschen nur, was wir mit eigenen Augen gesehen haben. Gut, wenn wir uns nicht hinters Licht führen lassen! Und doch können unsere Augen trügen. Was sehen wir und was davon nehmen wir überhaupt wahr? Was nicht? Halten wir alles, was wir sehen, für wahr?
Der Mensch verlässt sich auf seinen stärksten Sinn. Umso tragischer, wenn das Augenlicht nachlässt. „Augenlicht“ – noch so eine Metapher: das Auge ist gar das Licht des Leibes, geht es nach Matthäus. Unsere Augen leuchten. Als ginge von ihnen selbst ein Licht aus in diese Welt, geradezu taschenlampengleich – wo doch nur Licht durch ein Loch auf lichtempfindliche Nervenzellen fällt und in elektrische Impulse umgewandelt wird. Aber kann das das Geheimnis erklären, wenn Kinderaugen zur Advents- und Weihnachtszeit im Schein der Kerzen leuchten?
Woher kommt er, dieser Glanz in den Augen, dieser ganz besondere Augenblick? Wir laden Sie ein zu einem Blickwechsel zwischen Literatur und Wissenschaft, der da anhebt, wo jeder Blickwechsel seinen Anfang nimmt: im Auge.
Pfr. Dr. Hendrik Meyer-Magister
Stellv. Direktor und Studienleiter, Evangelische Akademie Tutzing
Barbara Greese
Rezitatorin und Rhetoriktrainerin, München