Ausübung von Macht und Autorität in der Kirche: Theologe Anselm fordert Reformen
Angesichts der Ergebnisse der 6. Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft in Deutschland (KMU VI), den hohen Austrittszahlen und dem gesunkenen Vertrauen gegenüber den Kirchen, blickt der theologische Ethiker Reiner Anselm nach vorne. Er fordert Reformen für eine partizipative und demokratisch verfasste Gemeinschaft, die an den Dynamiken von Macht und Autorität ansetzt.
“Evangelischen Kirchenmitgliedern ist ihre Kirche nicht egal”, schreibt Reiner Anselm, Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, in seinem eben erschienen Gastbeitrag für die Evangelische Akademie Tutzing. Unter dem Titel “Sauerteig werden.” entwirft er ausgehend von den Ergebnissen der 6. Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft in Deutschland (KMU VI) grundlegende Reformgedanken für seine Kirche, die Macht- und Autoritätsdynamiken verändern sollen.
Dabei setzt er nicht bei den hohen Austrittszahlen und dem enormen Vertrauensverlust an, die die beiden größten christlichen Kirchen in Deutschland verzeichnen, sondern er nimmt den positiven Impuls auf, den die Mitglieder in der Umfrage geäußert haben – das Interesse an ihrer Kirche. Die Reformerwartungen, die die Befragten geäußert haben, kollidierten allerdings mit dem Selbstbild der Kirche. Anselm schreibt: “Offenkundig wird die evangelische Kirche sehr viel weniger demokratisch, transparent und offen wahrgenommen, als es ihrem Selbstbild und auch ihrem Anspruch entsprechen würde. Hier müssen Reformen ansetzen.”
Es bedarf Anselm zufolge einer “kritischen Betrachtungsweise all derer Praktiken, die als Weiterführung des Ausübens von klerikaler Macht zu interpretieren sind.” Konkret gemeint sind hier “die Formen von Macht und Autorität, die etwa mit dem Einklagen von mehr Partizipation und Mitbestimmung verbunden sind.” Als Beispiele zählt er Gesten auf, die einen Eindruck von Machtausübung erzeugen bzw. eine “Autorität reklamieren, die sie gegenüber anderen Christinnen und Christen unangreifbar macht.” Neben theologischen und biblischen Begründungen für Praktiken gehörten dazu auch “ungedeckte Moralisierungen”. Auch die Rolle der Frauen möchte Anselm hinsichtlich Selbstwahrnehmung der Kirche und realem Handeln hinterfragt wissen sowie die Beteiligung ehrenamtlich tätiger Personen, “ob sie den eigenen Partizipations- und Demokratieidealen wirklich entsprechen.”
“Angesichts einer (Welt-)Gesellschaft, in der das Verbindende gegenüber dem Spaltenden immer schwächer wird, in der Quellen für das Gemeinsame immer stärker gesucht werden und zugleich klar wird, dass sich ein solches Miteinander nicht von selbst versteht”, brauche es Orte und Verbände, die ihre Botschaft vertreten und leben. Anselm gebraucht hier ein biblisches Bild: Sauerteig, der die Gesellschaft durchdringt und prägt, und der sich in Strukturen und Praktiken niederschlägt.
Den kompletten Gastbeitrag lesen Sie im Rotunde-Blog der Evangelischen Akademie Tutzing.
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Vom 07. – 09. Juni 2024 findet an der Evangelischen Akademie Tutzing die Tagung “‘Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.’ – Entscheidungsgründe der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung” statt. Wenn Sie Informationen zum Programm und den Anmeldemodalitäten erhalten möchten, können Sie sich unter diesem Link anmelden.