Wie sollen Demokratien mit Diktaturen umgehen? Wie kann in Zeiten globaler Krisen ein vernünftiges Verhältnis zwischen beiden Seiten hergestellt werden? Welche Fehler aus der Vergangenheit gilt es zu vermeiden? Diesen Fragen widmete sich die Sommertagung des Politischen Clubs unter der Leitung von Roger de Weck. Eindrücke der Tagung in Bildern.
Zum Thema “Demokratien und Diktaturen” kamen bei der Sommertagung des Politischen Clubs vom 16. bis 18. Juni 2023 Fachleute aus Wissenschaft, Politik und Medien zusammen, um gemeinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. Im Fokus standen dabei besonders Länder wie China, Russland, die USA und Deutschland, aber auch die Europäische Union oder Saudi-Arabien.
Die Bilder der Tagung haben wir in dieser Galerie für Sie zusammengestellt.
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Text: Michael Gugger / Redaktion: Dorothea Grass
Fotos: Haist / eat archiv
Pfarrer Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, hieß die Gäste der Sommertagung des Politischen Clubs herzlich willkommen. In seiner Begrüßung erinnerte er an die tiefe inhaltliche Verbindung der Akademie mit dem Thema Demokratie.
Der Leiter des Politischen Clubs, der Schweizer Publizist und Journalist Dr. h. c. mult. Roger de Weck, führte in das Thema der Tagung ein: “Demokratien und Diktaturen: Wie viel Kooperation, wie viel Konfrontation?”.
Er beobachtet weltweit eine Tendenz: Es gibt immer weniger liberale Demokratien, dafür aber wieder mehr Diktaturen, die die demokratischen Staaten von außen bedrängen. In der globalisierten und vernetzten Welt von heute sei es jedoch nahezu unmöglich, dass sich Demokratien von Diktaturen abschotten könnten. Insbesondere aufgrund global auftretender Probleme, wie der Klimakrise, sei es entscheidend, dass Demokratien und Diktaturen einen Modus der Zusammenarbeit fänden. Hier verwies de Weck auf Egon Bahr, der vor fast genau 60 Jahren, ebenfalls auf einer Tagung des Politischen Clubs, das Prinzip “Wandel durch Annäherung” vorgestellt und so mitten im Kalten Krieg eine Haltung formulierte, die die Beziehungen zwischen den westlichen Staaten und den Ländern des Ostblocks verbessern sollte. Das daraus abgeleitete, in heutiger Zeit gültige Prinzip “Wandel durch Handel” sei jedoch unter erheblichen Anpassungsdruck geraten. Nicht die autoritären Staaten hätten sich gewandelt, sondern auch die Demokratien. De Weck forderte eine Modernisierung der Demokratien, damit sie wieder ihre Werte glaubhaft ausstrahlen können.
Den Impuls zum Tagungsauftakt lieferte Dr. h.c. Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a. D. und früherer Leiter des Politischen Clubs. In seiner biografisch geprägten Rede schilderte er Eindrücke aus seiner Jugendzeit in der DDR. Dabei ging er auch auf die Entspannungspolitik Brandts und Bahrs ein und legte dar, welche Konsequenzen diese Politik für die Beziehung zwischen DDR und BRD, aber auch für die Gesellschaft und die einzelnen Menschen in der DDR hatte. Auch auf den Krieg in der Ukraine ging Wolfgang Thierse ein. Der Westen habe, so Thierse, zwei Verpflichtungen: zum einen die Verpflichtung, die Ukraine beim Wiederaufbau zu unterstützen, zum anderen die Verpflichtung, Russland beim Wandel hin zu einer demokratischen Gesellschaft zu unterstützen, sollte das System Putin eines Tages in sich zusammenbrechen.
Den zweiten Tag der Tagung eröffnete der Landesbischof der Evangelischen Kirche Bayern und Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm. Mit der Radiomoderatorin und Journalistin Sybille Giel sprach er über die Liebe Jesu – und wie er sich an ihr orientiert. Im Fokus des Dialogs stand seine Arbeit im Weltkirchenrat, insbesondere in Zeiten des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine, der vom Patriarchen der Russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., unterstützt wird. Auch der Umgang im Weltkirchenrat mit anderen Diktaturen, z. B. China, war ein Thema.
Über “Zielkonflikte zwischen Politik und Wirtschaft” sprach Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Werner Sinn, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Er thematisierte in seinem Vortrag den Konflikt zwischen Verantwortungsethik und Gesinnungsethik anhand dreier Beispiele aus der aktuellen Politik in Deutschland und der Europäischen Union: der Sicherheitspolitik, der Klimapolitik sowie der Geldpolitik der EZB. Insbesondere in Bezug zur Klimapolitik betonte er, dass unilaterale oder europäische Lösungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes zum Scheitern verurteilt seien: Verzichte ein Land freiwillig auf fossile Brennstoffe, so würden diese einfach an einen anderen Staat verkauft. Vielmehr brauche es eine gemeinsame Anstrengung der Welt, die OPEC dazu zu zwingen, die Produktion fossiler Brennstoffe zu senken oder einzustellen.
Wie sollen die Beziehungen zwischen Deutschland und der Volksrepublik China in der Zukunft aussehen? Darüber sprach der Journalist, Autor, internationale Korrespondent und ehemalige stellvertretende Chefredakteur bei der Wochenzeitung DIE ZEIT, Matthias Naß. Er betonte, dass sich China zunehmend zu einem strategischen Rivalen entwickle, von dem sich Deutschland in den letzten Jahrzehnten sehr abhängig gemacht habe. Naß plädierte dafür, die Abhängigkeiten zu verringern, damit diese von China nicht als Waffe eingesetzt werden können, wie es bereits anderen Ländern widerfahren ist. Verkompliziert werde die Lage darüber hinaus durch die schlechten Beziehungen der USA (auf die Europa sicherheitspolitisch angewiesen sind) mit China. Die deutsche Politik müsse alles dafür tun, eng mit den USA an einer Seite zu stehen, ohne dabei jedoch die Gespräche mit China abreißen zu lassen.
Guido Steinberg, Islamwissenschaftler und Mitglied in der Forschungsgruppe “Afrika und Mittlerer Osten” der Stiftung Wissenschaft und Politik, lenkte die Perspektive der Tagung auf Saudi-Arabien, ein Land, das in den letzten Jahren eine sehr ambivalente Entwicklung vollzogen hat. Auf der einen Seite wurden viele soziale Reformen implementiert, die vor allem die Rolle der Frauen in der Gesellschaft verbessern sollen. Auf der anderen Seite hat sich Saudi-Arabien mehr und mehr zu einem repressiven und verstärkt autoritären Land entwickelt. So ist Kritik an der Politik der Regierung mittlerweile verboten. Auch agiert das Land auf internationaler Bühne heute selbstbewusster denn je. War es früher noch ein enger und zuverlässiger Verbündeter der USA, so kann es heute als ein blockfreier Staat bezeichnet werden. Der Handlungsspielraum des Landes habe sich erweitert, derjenige der USA verkleinert, so Steinberg.
“Zielkonflikte zwischen Werten, Machtpolitik und Ökologie”: Zu diesem Thema referierte Dr. Anton Hofreiter MdB der Partei Bündnis90/Die Grünen und Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Er mahnte an, dass die Klimaschutzanstrengungen momentan noch deutlich zu langsam vonstatten gehen. Die Politik müsse sich dieser Problematik annehmen, aber zugleich dafür sorgen, dass Klimaschutz mehrheitsfähig wird und bleibt.
Den Abendvortrag hielt Prof. Dr. Jan Claas Behrends von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, wo er die Professur “Diktatur und Demokratie. Deutschland und Osteuropa von 1914 bis zur Gegenwart” hält. Er thematisierte die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland, aber auch die Entwicklungen in Russland und den anderen Staaten des Warschauer Paktes nach 1990. Insbesondere die Ära Merkel-Steinmeier sei von kardinalen Fehleinschätzungen geprägt gewesen, die den Weg in den Ukraine-Krieg geebnet hätten, so Behrends. Er forderte, diese Vergangenheit konsequent aufzuarbeiten, auch, um aus den dort gemachten Fehlern zu lernen. Diese Fehler gelte es im Umgang mit anderen Diktaturen, wie z. B. China zu vermeiden.
Über die Möglichkeiten und Grenzen der (wirtschaftlichen) Kooperation mit Diktaturen sprach Annette Schavan, Bundesministerin a. D. und Co-Vorsitzende des Deutsch-Chinesischen Dialogforums. Sie warb deutlich dafür, die Gesprächsfäden mit China nicht abreißen zu lassen und Brücken zu bauen, etwa durch Kooperationspartnerschaften in der Wissenschaft und Forschung. Sie mahnte jedoch auch an, dass es eine geeinte China-Strategie der Europäischen Union bedürfe, um als handlungsfähiger Partner auf Augenhöhe ernst genommen zu werden.
Den inhaltlichen Abschluss der Sommertagung des Politischen Clubs 2023 bildete eine Podiumsdiskussion mit der Juristin und Publizistin Dr. Constanze Stelzenmüller sowie den beiden Journalisten Mathieu von Rohr (r.) und Kurt Kister (l.). Insbesondere die Beziehungen zwischen China und den USA sowie die Rolle der Europäischen Union standen im Fokus der Diskussion.
Die lauen Sommerabende, die anregenden und anspruchsvollen Vorträge sowie das Ambiente des Schlosses trugen dazu bei, dass auf Balkon, Terrasse und in den Salons bis spät in den Abend Referierende und Teilnehmenden miteinander diskutierten.
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