Rundfunkbeitrag, Konformitätsdebatte, Intendantengehälter und Reformdruck bei den Öffentlich-Rechtlichen: Die Frühjahrstagung des Politischen Clubs vom 17. bis 19. März 2023 widmete sich einem Thema, das auf ein breites Interesse stieß. Rückblick der Tagung in Bildern.
Den ausführlichen Bericht zur Tagung können Sie hier nachlesen.
Wenn nicht anders gekennzeichnet: Bilder von Haist/ eat archiv
Aufmacherbild: (v.l.n.r.): Akademiedirektor Udo Hahn, ARD-Vorsitzender Kai Gniffke, Ministerpräsident Reiner Haseloff, Staatssekretärin Heike Raab und Tagungsleiter Roger de Weck. (Foto: Presseabteilung des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt)
Groß war das Interesse, über die Öffentlich-Rechtlichen zu diskutieren: Die Frühjahrstagung des Politischen Clubs lockte sowohl interessierte Bürgerinnen und Bürger als auch Fachpublikum nach Tutzing. Das Bild zeigt ARD-Vorsitzenden Prof. Dr. Kai Gniffke (rechts im Bild) neben Akademiedirektor Udo Hahn während der Debatte mit den Gästen im Musiksaal der Akademie.
Erst wenige Tage vor der Frühjahrstagung wurde der Leiter des Politischen Clubs, Roger de Weck, von der Rundfunkkommission in den Zukunftsrat zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewählt. Er soll als interdisziplinärer Think-Tank durch Empfehlungen den medialen Wandel unterstützen (weitere Infos hier).
Philosoph und Autor Prof. Dr. Richard David Precht fordert von den Medien mehr Selbstkritik: “Medien lieben starke Meinungen”, doch gleichzeitig bestehe Einigkeit in der radikalen Ablehnung der Andersheit. Von der vermeintlichen Mehrheitsmeinung abweichende Positionen würden aufgrund der Personalisierung und Moralisierung öffentlicher Debatten als zynisch und umstritten porträtiert. Man müsse zu einem “wohlmeinenden Streit” zurückfinden, so das Plädoyer von Precht.
Redundanz und Meinungskonformität wollte Dr. Peter Frey, ehemaliger Chefredakteur des ZDF, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht vorwerfen. Er sehe ein vielfältiges und ausgewogenes Programm, das bewahrt werden müsse. Vielmehr fehle der Blick für unterschiedliche Lebensmilieus – migrantische Gruppen seien ebenso unterrepräsentiert wie das ländliche Lebensgefühl.
Zu viele Krimis und Talkshows, zu wenig Kino, Theater und Tanz, das bemängelte Jürgen Kaube am Repertoire der öffentlich-rechtlichen Sender. Der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung forderte im Gespräch mit ARD-Programmdirektorin Christine Strobl weniger Redundanz und mehr Risiko.
Ein ausgewogenes, demokratisches Angebot muss auch unterhalten dürfen, sagt ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. Nur so könne Begeisterung und Faszination für Wissen und Wissenschaft erzeugt werden. Man dürfe ARD und ZDF außerdem nicht mehr auf das lineare Fernsehen reduzieren.
Dr. Dr. h. c. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, stellte fest, dass sich auch die evangelische Publizistik in einer Krise befindet. Gemeinsam mit den Mitgliedern schwinden die finanziellen Ressourcen, die Medienpräsenz der Kirche wird nicht mehr als Priorität eingestuft.
Welche Reformen sind auf politischer Ebene geplant, für die Medien und damit auch für die Demokratie? Von Beitragsstabilität, digitaler Transformation und Interaktion mit dem Publikum sprach Heike Raab, Staatssekretärin und Koordinatorin der Rundfunkkommissionen der Länder.
Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff, warnte vor innovativem Stillstand und festgefahrenen Strukturen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Außerdem sei die “autokratische Intendantenphilosophie” weder zeitgemäß noch zukunftsfähig und auch die hohen Gehälter auf Kosten des Publikums müssten neu verhandelt werden.
Von einem Journalismus der Zukunft sprach Prof. Dr. Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks und Vorsitzender der ARD. Journalistischer Qualitätssinn, innovativer Content und facettenreicher Input, damit könne man den Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums gewinnen. Mit mehr “Technikfröhlichkeit” müsse sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk außerdem den neuesten Entwicklungen stellen, endlich die Chancen von Blockchain-Technologien und Künstlicher Intelligenz erkennen.
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit, übte Kritik an der inhaltlichen Konformität der journalistischen Berichterstattung. Die fehlende Meinungsvielfalt berge eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie, denn die Ausgrenzung zweifelnder Stimmen führe zu Entfremdung und einer erhöhten gesellschaftlichen Vulnerabilität für Desinformationskampagnen.
Gruppenbild in der Frühlingssonne (v.l.n.r.): Udo Hahn, Kai Gniffke, Reiner Haseloff, Heike Raab, Roger de Weck
(Foto: Presseabteilung des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt)
Diskutieren in der Kaffeepause: Prof. Dr. Mark Eisenegger und Staatsministerin Heike Raab.
Gesellschaftliche Intelligenz sei nur möglich durch das gesittete Aufeinanderprallen diverser Positionen, so Prof. Dr. Mark Eisenegger, Professor of Public Sphere and Society an der Universität Zürich.
Aurelie von Blazekovic, Autorin im Kultur- und Medienressort der Süddeutschen Zeitung, auf dem Podium mit Dr. Johannes Hillje, Autor des Buchs “Wer spricht für wen? – Die Talkshow-Gesellschaft”.
In den Pausen zwischen den Vorträgen und Debatten lockte das Seeufer die Tagungsteilnehmenden zum Genießen der Aussicht und des Schlossparks. Der Politische Club der Evangelischen Akademie Tutzing ist unser ältestes Tagungsformat. Es findet dreimal pro Jahr statt und ist offen für alle: Jeder interessierte Mensch kann sich anmelden und teilnehmen.
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