“Was gibt’s denn da zu lachen?” lautete der Tagungstitel, unter dem sich am Faschingswochenende vom 17.-19. Februar über 100 interessierte Menschen in der Evangelischen Akademie Tutzing zusammenfanden, um über Humor und Psychiatrie ins Nachdenken zu kommen und eigene praktische Schritte zu gehen. Eine kleine Rückschau mit Bildern.
“Was gibt’s denn da zu lachen?” mag auch mancher zunächst gedacht haben, denn die Begriffe Humor und Psychiatrie werden üblicherweise kaum in einem Atemzug genannt. Ist die Psychiatrie nicht ein Ort, an dem Menschen mit ernsten psychischen Problemen behandelt werden? Darf man da fröhlich sein?
Am Ende der Tagung war klar: Man darf nicht nur, man muss! Denn richtig verstandener Humor kann Betroffenen messbar helfen. Er ermöglicht einen spielerischen Perspektivwechsel, kann so eingefahrene Selbstwahrnehmungen aufbrechen und neue Horizonte eröffnen. Richtig und reflektiert eingesetzt bietet Humor neue Möglichkeiten in Beratung, Therapie und Pflege und kann Wesentliches zu einem guten Klima in einer psychiatrischen Einrichtung beitragen. Humor ist nicht zuletzt eine wichtige Ressource für Behandelnde und An- und Zugehörige, um selbst mit belastenden Situationen umgehen zu können. Wichtig dabei ist, dass Humor nicht verletzend wird, nicht sarkastisch und zynisch, sich nicht über die vermeintlichen Defizite anderer lustig macht und damit über Sie erhebt. Konstruktiver, positiver Humor sieht sich selbst und andere Menschen wohlwollend an – mit allen Stärken und Schwächen! “Humor ist, wenn man trotzdem lacht” – oft zitiert, aber nicht minder wahr.
Humor ist eine Haltung, sich von den Erlebnissen, Erfahrungen und Herausforderungen des Lebens nicht völlig vereinnahmen zu lassen – auch und gerade im Kontext psychischer Erkrankungen. Mit ihnen teilt der Humor gar seine oftmals etwas “ver-rückte” Sicht auf die Dinge, die in unserem Alltäglichen erst das Komische zum Vorschein holt. “Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben” soll der irische Dramatiker Georg Bernard Shaw gesagt haben. Er wurde unter großem Beifall auf der Tagung zitiert. Wie wahr angesichts des ganz normalen Wahnsinns, in dem wir uns derzeit befinden!
Dr. Hendrik Meyer-Magister
Aufmacherbild: Eine Biene – aus der Maskenwerkstatt während der Tagung “Was gibt’s denn da zu lachen? Über Psychiatrie und Humor” (alle Fotos: dgr/eat archiv)
Yannik Sellmann, Stand-up Comedian und zweifacher Bayerischer Meister im Poetry-Slam, eröffnete die Tagung mit einer Kostprobe aus seinem derzeitigen Bühnenprogramm. Er geht darin offen, humorvoll und ohne Berührungsängste mit seiner eigenen psychischen Diagnose um. Am Samstag leitete er zudem das “Humor-Schreiblabor”, in dem Interessierte erste eigene Werkstücke im Bereich humoristischer Texte anfertigen konnten.
In die Grundlagen der Humor-Forschung führte am Freitagabend Prof. Dr. Willibald Ruch ein, einer der international führenden Forschenden auf diesem Gebiet. Im Paradigma der Positiven Psychologie kann Humor als Charakterstärke beschrieben werden, die zu einem guten Leben beiträgt.
In einem Live-Coaching stellten Dr. Noni Höfner (hier rechts im Bild mit einem Gast) und ihre Tochter Charlotte Cordes die “LKW-Methode” vor. Gemeint ist das “Liebevolle Karikieren des Weltbildes” einer Person im Rahmen der Provokativen Therapie nach Frank Farelly: faszinierend und provozierend zugleich – nicht nur für die Testproband:innen!
Jonathan Gutmann arbeitet als Fachpfleger auf einer offenen psychiatrischen Akutstation und Leiter der Stabsstelle Qualitätssicherung und Pflegeentwicklung in der Klinik Hohe Mark in Oberursel. Der Autor mehrere Publikationen im Bereich Humor und Pflege gab einen lebhaften und humorvollen Einblick in seine tägliche Arbeit.
In den Humorwerkstätten konnten die Teilnehmenden sich selbst humoristisch ausprobieren. Der bekannte Cartoonist Peter Gaymann leitete die ersten Schwünge auf der Leinwand an – verblüffend, wie mit wenigen Strichen und Formen erste Figuren und kleine Miniaturen entstehen!
Mirjam Avellis, selbst als Klinikclownin und Performancekünstlerin tätig, führte die Teilnehmenden in die Arbeitsweisen und -techniken der Klinikclownerie ein: “Es geht darum, Menschen zu umarmen, nicht auf den Arm zu nehmen!” Am Ende hatten alle rote Nasen.
Heinrich Berger, Mitveranstalter der Tagung und Vorstandsmitglied der Bayerischen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, bot eine Liederwerkstatt an. Am Ende stand ein Song, der gleich das Tagungsgeschehen verarbeitete und live performt wurde.
Charlotte Cordes und Florian Schwartz boten eine Humorwerkstatt zur provokativen Szenenarbeit an: Eine spannende Erweiterung der Provokativen Therapie um Elemente aus Musik und Improtheater!
Die Lachtrainerin Cornelia Leisch, zugleich 1. Vorsitzende des Europäischen Berufsverbandes für Lachyoga und Humortraining, lockerte zunächst die Teilnehmenden ihrer Humorwerkstatt mit einem Lachtraining. Am Sonntagmorgen begeisterte sie dann die gesamte Tagung mit einer kleinen Kostprobe ihres Repertoires.
Unter der Anleitung von Marie Holzer, Münchner Kunsttherapeutin und Kostümbildnerin, konnten sich die Teilnehmenden…
…in der Maskenwerkstatt ihre eigene Faschingsmaskerade erstellen und sich so in neuen Rollen ausprobieren.
Einige der Tagungsteilnehmenden waren am späten Samstagnachmittag kaum wiederzuerkennen!
Professorin Doris Titze stellte unter dem Titel “Überraschungsmomente – Bildgeschichten in der Kunsttherapie” eine kreative und interaktive kunsttherapeutische Methode vor, mit minimalen Überarbeitungen auf Transparentpapier in Bildern der Klient:innen neue Perspektiven zu entdecken.
Als Auftakt des abendlichen Maskenballs bot Heinrich Bergers Alter Ego “Wazzmo” zusammen mit den beiden Musikern Georg Weis und Jörg Widmoser eine Musikperformance…
…woraufhin sich ein ausgelassener Faschingsabend entwickelte!
Stefan Mispagel, evangelischer Pastor in Bonn, Klinikseelsorger und Projektleiter bei der Stiftung Humor Hilft Heilen für die Arbeit mit Klinikclowns schlug die Brücke zwischen Humor in der Bibel und im Christentum zur Arbeit in der Klinik: Kann auch die Krankenhausseelsorge humoristisch arbeiten?
Wie immer bei unseren Tagungen war auch dieses Mal ausreichend Zeit für Müßiggang am Ufer des Starnberger Sees. Das freundlich-frühlinghafte Februarwetter leistete seinen Beitrag dazu.
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