Mehr Zeit für Therapie und Begleitung
Das deutsche Gesundheitssystem wird zunehmend digitaler. Die Vernetzung aller Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken ist dabei nur der erste Schritt, um die Speicherung und Analyse gewaltiger Datenmengen sicherzustellen. Mittels elektronischer Patientenkarte (ePK) und elektronischer Patientenakte (ePA) sollen bisher dezentral und analog gespeicherte Daten den Patientinnen und Patienten sowie den behandelnden Ärztinnen und Ärzten jederzeit zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollen Bio- und Sozialdaten, Patientendaten aus klinischen Studien und genetische Daten verknüpft werden, um einen Ausbau der Telemedizin und die Nutzung intelligenter technischer Assistenzsysteme durch Ärzte und Pflegende zu ermöglichen. Ein Ziel dieser digitalen Erfassung von Gesundheitsdaten ist eine Personalisierung von Diagnostik und Therapie.
Chancen der Digitalisierung für das Gesundheitswesen liegen auf der Hand: Mithilfe von Gesundheits- und Fitness-Apps, Wearables, medizinischen Sensoren oder Smart Clothes können Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Gesundheitskompetenzen stärken. Durch telemedizinische Angebote werden viele Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte überflüssig. Und durch technisch assistierte Dokumentation sowie Diagnosestellung haben Ärzte und Pflegende mehr Zeit für Therapie und Begleitung.
Allerdings sehen viele Bürger bislang nur einen geringen Nutzen der Digitalisierung, wenn es um ihre Gesundheit geht: Nach der von acatech und der Körber-Stiftung durchgeführten repräsentativen Befragung „TechnikRadar 2022“ wollen zwar gut die Hälfte der Befragten die elektronische Patientenakte (ePA) verwenden – doch genutzt wird sie aktuell nur von sehr wenigen. Neben mangelnder Bekanntheit werden als Gründe für diese Zurückhaltung zumeist genannt: Bedenken beim Datenschutz sowie eine Unklarheit darüber, wer welche Daten einsehen kann.
Doch wie soll eine digitale Transformation der Medizin ihre Potenziale ausschöpfen, wenn die Menschen zögern, ihre persönlichen Daten der Forschung zur Verfügung zu stellen? Hier wird deutlich: Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und die Verbesserung der allgemeinen Gesundheitsversorgung werden mit zunehmender Digitalisierung immer wichtiger. Aber auch der Erkenntnisfortschritt in der Medizin ist darauf angewiesen, dass Patienten einwilligen, dass ihre Daten auch für Forschungs- und Lernaktivitäten genutzt werden können.
Zur Diskussion all dieser Fragen laden wir herzlich ein ins Schloss Tutzing!
Udo Hahn
Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Manfred Rauhmeier
Geschäftsführer acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
Dr. Stephan Schleissing
Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU München