Diakonische Dienste und Einrichtungen verstehen sich grundsätzlich als dem Leben zugewandt
Diakonie Deutschland
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Schon gut zweieinhalb Jahre liegt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück: Paragraf 217 StGB ist verfassungswidrig, weil er es faktisch unmöglich machte, in Deutschland bei einem Suizid professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Gericht wertete das als unverhältnismäßige Einschränkung des grundlegenden Rechts auf Selbstbestimmung.
Dem Gesetzgeber steht frei, eine neue Regelung zu finden – erste Entwürfe lagen bereits in der vergangenen Legislaturperiode auf dem Tisch. In Kirche und Diakonie wurde parallel eine intensive Debatte geführt, wie mit dem Urteil und der sich abzeichnenden neuen Rechtslage umzugehen sei. Schließlich sahen sich beide in einer Grundüberzeugung herausgefordert: ihrem Selbstverständnis als Anwältinnen des Lebens.
Die Grundsatzdebatte ist besonders im vergangenen Jahr geführt worden. Es sei undenkbar, dass sich kirchliche und diakonische Einrichtungen an assistierten Suiziden beteiligten – bei allem Respekt vor der Notlage von Menschen, die in verzweifelten Lagen einen Wunsch nach Hilfe beim Suizid äußerten, und bei aller Bereitschaft, sie palliativmedizinisch und seelsorglich zu begleiten. So die einen. Andere argumentieren, dass mit der Gabe des Lebens auch die Freiheit so untrennbar mitgesetzt sei, dass auch kirchliche und diakonische Einrichtungen aus Achtung vor der Selbstbestimmung des einzelnen Menschen in letzter Konsequenz den assistierten Suizid ermöglichen müssten. Dies jedoch bei großem Bewusstsein für die Tragik von Situationen, in denen Menschen keinen anderen Ausweg sehen, und bei aller Betonung, zunächst alle anderen beratenden, seelsorglichen und palliativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Menschen andere Wege aufzuzeigen.
Unklar bleibt, wie kirchliche Einrichtungen ganz konkret mit Wünschen nach Suizidassistenz umgehen sollen. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten im Detail? Wie kann ein institutionelles Schutzkonzept aussehen, das die Würde und Selbstbestimmung der Betroffenen wahrt, sie aber auch vor voreiligen, fremdbestimmten oder krankheitsinduzierten Entscheidungen schützt? Wie können auch Angehörige und Mitarbeitende in den betreffenden Einrichtungen geschützt und zugerüstet werden? Wie stellt sich die Situation aus den jeweiligen Perspektiven der unterschiedlichen Akteure, Werke und Einrichtungen dar, aber auch angesichts der breitgefächerten Arbeitsbereiche von Kirche und Diakonie? Welche alternativen Praktiken zum assistierten Suizid kommen infrage?
Wir wollen auf der bisherigen Debatte aufbauen und Fragen nach verantwortungsvollen Regelungen und konkreten Praktiken in den Einrichtungen nachgehen. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind!
Pfr. Dr. Hendrik Meyer-Magister, Evangelischen Akademie Tutzing
Prof Dr. Reiner Anselm, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Isolde Karle, Ruhr-Universität Bochum
Pfr. Ulrich Lilie, Diakonie Deutschland e.V.