ALPHABET DER LIEBE
Eine Schule des Hasses muss in diesen Tagen niemand besuchen. Verachtung und Verunglimpfung erschließen sich mühelos. Hört und sieht man sich in den sozialen Netzwerken, den Foren und virtuellen Marktplätzen um, stößt man alsbald auf Virtuosen menschlicher Entwertung. Diese Tagung lenkt die Blicke auf Ressourcen. Mitten in einer Pandemie der Geringschätzung sucht sie Spuren von Liebe. Deren Wesen ist Begegnung, ihr Stil dialogisch. Es lohnt sich, die Staubschichten wegzublasen und liebevolle Buchstaben zu entdecken und zu entziffern.
Da ist die Bibel mit ihrem Schlüsselsatz: Gott ist die Liebe. Da formen sich seit der Antike Gedichte und Briefe, in denen Menschen ihre Liebe benennen und bekennen. Eine klangvolle Sprache der Nähe wird in Kompositionen von Brahms und Busoni hörbar. Die Musizierenden geben Einblicke in ihr Ringen um Verständnis und Interpretation. Ein profunder Kenner der Hospizbewegung erzählt von Gesprächen auf der Schwelle von Atemholen und Verstummen. Psychotherapeutische Impulse umkreisen die Kunst der bedürftigen und schenkenden Liebe. Ausgegrenzten ohne Lobby öffnet Ruth Pfau Hände und Herz. Biblische Mystik ist ein nachhaltiger Impuls für Nächstenliebe. Zugleich lenkt sie die Aufmerksamkeit auf das Schweigen als Anlegestelle für Neues. Die Natur kennt viele Formen der Nähe: „Fuchs 8“ zeigt eine besonders anrührende. Rembrandt gestaltet wie kein anderer Licht als Metapher der Liebe. Einige seiner Werke werden dies sichtbar machen.
Gönnen Sie sich mit der Tagung behutsame Schritte aus einer pandemischen Vereinzelung. Ein sensibles Miteinander von Musik, Literatur, Malerei, Spiritualität und Psychotherapie, Gaumenfreuden, Atempausen am Ufer des Sees, Gespräche in den Salons können zu Buchstaben in einem Alphabet der Liebe werden.
Wir kommen aus einer Zeit der Krisen und gehen wieder in sie zurück. Krankheit, Katastrophen und Kriege formen die Gegenwart. Sprachen der Liebe (neu) zu entdecken gehört zum Prinzip Hoffnung, ist spiritueller Übermut. Thornton Wilder erkennt darin eine Brücke: „Doch die Liebe wird genug gewesen sein; alle diese Regungen von Liebe kehren zurück zu der einen, die sie entstehen ließ. Nicht einmal eines Erinnerns bedarf die Liebe. Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe – das einzig Bleibende, der einzige Sinn.“ (Die Brücke von San Luis Rey)
Wir freuen uns auf die Begegnung mit Ihnen in der Evangelischen Akademie Tutzing!
Pfr. Udo Hahn, Direktor, Evangelische Akademie Tutzing
Dr. Elisabeth Kohler, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin
Dr. Oliver Kohler, Schriftsteller und Historiker