So alt wie jeder von euch ist, so viele Jahre habe ich schon mit euch getanzt.
Hans Christian Andersen
(in der Beschreibung eines mittelalterlichen Totentanzes)
(in der Beschreibung eines mittelalterlichen Totentanzes)
Im Jahr 1485 geht in Europa die Pest um. In der Flagellantenkirche des lombardischen Städtchens Clusone entsteht die vorderseitige Darstellung eines Totentanzes. Der Tod tanzt auf Schritt und Tritt mit den Menschen durchs Leben. Das stand in Zeiten der mittelalterlichen Pestepidemien allen sehr deutlich vor Augen.
Am 18. April 2020 geht ein Handyfoto um die Welt: In Bergamo – etwa 35 km von Clusone entfernt – transportiert ein nächtlicher Militärkonvoi die Särge der Coronatoten durch die Stadt. Ein moderner Totentanz? Die „Bilder aus Bergamo“ werden zum Sinnbild der Corona-Pandemie. Mitten im Europa des 21. Jahrhunderts wütet wieder eine tödliche Infektionskrankheit. Andere Bilder der Pandemie kommen hinzu: die Intensivpflegekräfte in voller Schutzausrüstung am Bett von Corona-Patientinnen und -Patienten. In Indien geht das Holz aus, um die Leichen
der Corona-Infizierten zu verbrennen. Die letzten zwei Jahre haben vielen Menschen den Tod ganz neu vor Augen geführt.
Währenddessen rückt noch eine andere Frage das Sterben wieder in den Blick der deutschen Öffentlichkeit. Im Februar 2020 kippte das Bundesverfassungsgericht den Paragraphen 217 StGB, der bis dahin einen professionell assistierten Suizid in Deutschland faktisch unmöglich gemacht hatte. Seitdem wird die Suizidhilfe wieder praktiziert. Wird der assistierte Suizid nun bei uns zu einer alltäglichen Form des Sterbens, für die man künftig nicht mehr in die Schweiz fahren muss?
In unserer Gesellschaft wird der Tod verdrängt, heißt eine gängige und richtige These. Die Menschen sterben in Krankenhäusern und Pflegeheimen einen klandestinen Tod. Zuletzt hat die Palliativ- und Hospizbewegung wieder stärker ins Bewusstsein gerückt, dass das Sterben zum Leben gehört. Auch in Film und Literatur sind Sterben und Tod keine Tabus mehr. Gut so! Hat diese Entwicklung durch Corona und die Debatte um Paragraph 217 einen weiteren Schub bekommen? Wird der Tod wieder sichtbarer – zumindest medial? Welche Rolle spielen dabei soziale Medien? Und über allem steht immer die Frage: Wie lässt sich gut leben angesichts des Sterbens?
Pfr. Dr. theol. Hendrik Meyer-Magister
Studienleiter, Evangelische Akademie Tutzing
Pfr. i.R. Frank Kittelberger
freier Mitarbeiter, Evangelische Akademie Tutzing
Prof. Dr. theol. Arne Manzeschke
Professor für Anthropologie und Ethik für Gesundheitsberufe, Evangelischen Hochschule Nürnberg
Prof. Dr. med. Andreas Mackensen
Direktor der Medizinischen Klinik 5 Hämatologie & Internistische Onkologie, Universitätsklinikum Erlangen