DIE GESCHICHTE ALLER BISHERIGEN GESELLSCHAFT IST DIE GESCHICHTE VON KLASSENKÄMPFEN
Karl Marx
Nun, wo finden sie heute statt, die Klassenkämpfe? Wo sprengen Proletarier ihre Fesseln, um dem Kapital den Kampf anzusagen? Wenn das Gespenst des Kommunismus noch umgeht, dann entfaltet es jedenfalls wenig Drohpotenzial. Aber ist der Kapitalismus wirklich das Erfolgsmodell? Wer bezahlt den rücksichtslosen Konsum, die Ausbeutung der Natur und ihrer Ressourcen, die oft viel zu billigen Waren, mit denen uns globalisierte Konzerne überschütten?
Das Marxsche Gedankengut bleibt sicher mindestens so lange aktuell, wie höchst ungleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen in dieser Welt herrschen. Seine ökonomischen Annahmen und seine Schlussfolgerungen wurden und werden kritisch gesehen – ob es die Theorie vom Mehrwert ist oder von der krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus. Freilich – so schon die Feuerbach-Thesen – genügt es nicht, die Welt nur verschieden zu interpretieren: Es kommt darauf an, sie – radikal? – zu verändern. Ob aber das „Humanum“ (Michael Quante) der Marxschen Theorie dafür reicht? Letztlich geht es um gelingendes Leben und wie es für alle Menschen verwirklicht werden kann.
Dieser großen Menschheitsutopie von Solidarität und Gerechtigkeit wollen wir in verschiedenen Feldern nachgehen, auch solchen, die Marx noch gar nicht gekannt hat. Was etwa hätte er zu den neuen digitalen Spielarten des Kapitalismus in einer Zeit der weiteren Entfremdung gesagt? Zum Spekulationskapital, zu Algorithmen, zu künstlicher Intelligenz und zu Maschinen, die den Menschen in der Fabrik nicht mehr knechten, sondern völlig verzichtbar machen? Was ist mit dem Subjekt der Revolution, der (globalen) Arbeiterklasse? Existiert sie überhaupt noch inmitten von Digitalisierung und Globalisierung?
Menschen versuchen auch heute, jenseits kapitalistischer Logik, mindestens solidarische Lebensentwürfe zu verwirklichen. Welche Ideen von einer künftigen sozialistischen – und demokratischen – Gesellscha- gibt es? Und: Könnte es sein, dass, wer von Ökologie und Rücksichtnahme auf die Umwelt nicht reden mag, auch von einer gerechteren Welt schweigen sollte? Was sagen junge Menschen: zu Marx, zum „guten Leben“, zur Zukunft?
Viele Fragen, die ans Eingemachte gehen, die wir mit Expertise, Überzeugung, Lust an der Debatte und in der Freiheit, nach vorne zu denken, gemeinsam erörtern wollen. Herzliche Einladung zur etwas anderen Geburtstagsparty für Marx in der Evangelischen Akademie Tutzing!
Dr. phil. Ulrike Haerendel, Dipl.-Volksw. Katharina Hirschbrunn,
Pfr. Dr. phil. Jochen Wagner, Dipl.-Psych. Julia Wunderlich
Evangelische Akademie Tutzing