ES TREIBT DER WIND IM WINTERWALDE DIE FLOCKENHERDE WIE EIN HIRT,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird;
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.
Rainer Maria Rilke
… endlich: Schneeflocken! Zauberhaft tanzten sie im Laternenlicht. Aus dem Bett huschten wir nochmals hinaus auf die Straße. Unsere Pantoffeln tupften erste Spuren in den Schnee. Unvergleichlich, die himmlischen Eiskristalle auf der Zunge. Wie Watte umhüllte uns die bezuckerte Nacht. Fühlten wir uns je mehr geborgen?
Vom weißen Kleid wundersam verwandelt, erschien die Welt heil. Was an Schreckensmeldungen noch durchdrang, dämpften wir mit Ritualen weg: Im Kerzenlicht den Adventskalender durchleuchten, Plätzchen backen, Lebkuchen horten, Nüsse knacken, Äpfel braten, den Christbaum sichern, Geschenke basteln – diese Liturgie nährte die Vorfreude. „Stade Zeit“? Herzklopfend schrieben wir ans Christkind unsere Wünsche. Erst nach der Bescherung würde sich das Fieber legen, wir vom Himmel hoch runter kommen, um auf dem Boden zu spielen.
Jahrzehnte ist das her. Doch seit Kindertagen trotzt dieses kleine Einmaleins vom Advent der Entzauberung. Winkt nicht nach dem Wechselbad der Gefühle das selige Glück aus biblischer Geschichte und irdischem Vergnügen? Aber nirgends sind Erwartung und Erfüllung so von Enttäuschung bedroht. Wo sonst rührt Heiliges an Liebe wie an den Unfrieden, der auch Weihnachten herrscht?
Weihnachten ist nicht nur Dogma und Konsum. Dem Christkind war Herodes auf der Spur. Mitten im Terror wird Gott Mensch. Was uns umtreibt, weist nach Bethlehem, in den Stall, zum Kind in der Krippe, seiner unkaputtbaren Verheißung: „Fürchtet euch nicht! Denn euch ist heute der Heiland geboren.“
Bevor wir uns beschenken, beschert das Christkind uns mit allerlei Gefühlen. Mit dem Geschenk, überhaupt zu fühlen. Fühlen, was wund und erstarrt, weh, einsam, dunkel, stumm und tot ist und uns gleichgültig macht, trennt. Fühlen, wie sehr uns die Sehnsucht nach einer Welt aus Licht, Wärme, Friede und Spiel verbindet.
Was über alle Grenzen Nähe schenkt – zu seinem Advent, wörtlich Ankunft und Abenteuer, laden wir alle Nahen und Fernen sehr herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein.
Pfr. Dr. phil. Jochen Wagner, Evangelische Akademie Tutzing
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird;
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.
Rainer Maria Rilke
… endlich: Schneeflocken! Zauberhaft tanzten sie im Laternenlicht. Aus dem Bett huschten wir nochmals hinaus auf die Straße. Unsere Pantoffeln tupften erste Spuren in den Schnee. Unvergleichlich, die himmlischen Eiskristalle auf der Zunge. Wie Watte umhüllte uns die bezuckerte Nacht. Fühlten wir uns je mehr geborgen?
Vom weißen Kleid wundersam verwandelt, erschien die Welt heil. Was an Schreckensmeldungen noch durchdrang, dämpften wir mit Ritualen weg: Im Kerzenlicht den Adventskalender durchleuchten, Plätzchen backen, Lebkuchen horten, Nüsse knacken, Äpfel braten, den Christbaum sichern, Geschenke basteln – diese Liturgie nährte die Vorfreude. „Stade Zeit“? Herzklopfend schrieben wir ans Christkind unsere Wünsche. Erst nach der Bescherung würde sich das Fieber legen, wir vom Himmel hoch runter kommen, um auf dem Boden zu spielen.
Jahrzehnte ist das her. Doch seit Kindertagen trotzt dieses kleine Einmaleins vom Advent der Entzauberung. Winkt nicht nach dem Wechselbad der Gefühle das selige Glück aus biblischer Geschichte und irdischem Vergnügen? Aber nirgends sind Erwartung und Erfüllung so von Enttäuschung bedroht. Wo sonst rührt Heiliges an Liebe wie an den Unfrieden, der auch Weihnachten herrscht?
Weihnachten ist nicht nur Dogma und Konsum. Dem Christkind war Herodes auf der Spur. Mitten im Terror wird Gott Mensch. Was uns umtreibt, weist nach Bethlehem, in den Stall, zum Kind in der Krippe, seiner unkaputtbaren Verheißung: „Fürchtet euch nicht! Denn euch ist heute der Heiland geboren.“
Bevor wir uns beschenken, beschert das Christkind uns mit allerlei Gefühlen. Mit dem Geschenk, überhaupt zu fühlen. Fühlen, was wund und erstarrt, weh, einsam, dunkel, stumm und tot ist und uns gleichgültig macht, trennt. Fühlen, wie sehr uns die Sehnsucht nach einer Welt aus Licht, Wärme, Friede und Spiel verbindet.
Was über alle Grenzen Nähe schenkt – zu seinem Advent, wörtlich Ankunft und Abenteuer, laden wir alle Nahen und Fernen sehr herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein.
Pfr. Dr. phil. Jochen Wagner, Evangelische Akademie Tutzing