SEIN GEWISSEN WAR REIN, DENN ER GEBRAUCHTE ES NIE
Stanislaw Jerzy Lec
Das gute Gewissen ist eine zweischneidige Sache: Es zeugt einerseits von dem Bestreben, auf moralische Herausforderungen nicht nur korrekt, sondern eben auch authentisch zu antworten. Andererseits wirkt es bisweilen wie ein billiger Ratgeber, weil es einfache Urteile bevorzugt, in denen der Urheber einer Gewissensentscheidung möglichst unangefochten dasteht. Dieses Bestreben nach Exkulpation befördert in öffentlichen Ethikdebatten eine Tendenz zur Moralisierung, die sich bisweilen an die Stelle einer differenzierten und fairen Urteilsbildung setzt.
Das gute Gewissen ist eine zweischneidige Sache: Es zeugt einerseits von dem Bestreben, auf moralische Herausforderungen nicht nur korrekt, sondern eben auch authentisch zu antworten. Andererseits wirkt es bisweilen wie ein billiger Ratgeber, weil es einfache Urteile bevorzugt, in denen der Urheber einer Gewissensentscheidung möglichst unangefochten dasteht. Dieses Bestreben nach Exkulpation befördert in öffentlichen Ethikdebatten eine Tendenz zur Moralisierung, die sich bisweilen an die Stelle einer differenzierten und fairen Urteilsbildung setzt.
Moralisierung tendiert dazu, Fragen von Gut und Böse auf das Verhältnis Richter-Angeklagter zu verengen. Dagegen hilft nur Selbstrechtfertigung. Doch ist z.B. die Propagierung eines sparsamen, veganen, regional orientierten Lebensstils eine notwendige ethische Position oder lediglich eine Strategie der Vermeidung von Schuld, die es auf andere abzuweisen gilt? Wo sind die Orte in unserer Gesellschaft, wo Ambivalenzen beim Namen genannt werden können, ohne deshalb sofort am Pranger zu landen?
„Gericht“, „Vergebung“ oder die theologische Vorstellung einer „Rechtfertigung des Sünders“ sind religiöse Metaphern des Umgangs mit Schuld. Sie nehmen Bezug auf Moral und transzendieren diese doch zugleich. In säkularen Gesellschaften wirken sie gleichwohl wie Fremdkörper und erscheinen für den öffentlichen Vernunftgebrauch nicht mehr anschlussfähig.
Die Tagung geht der Frage nach, welche Narrative der Schuldthematisierung und Schuldabtragung in unseren pluralistischen Gesellschaften Gültigkeit haben. Wie werden Narrationen internalisiert und praktiziert? Zur Diskussion steht die These, dass Ethikdebatten auf Orte und Strategien der Exkulpation angewiesen sind, an denen Ent-Schuldung möglich ist, wenn Moral nicht nur das gute Gewissen, sondern auch das gute Handeln zum Ziel hat.
Udo Hahn
Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Prof. Dr. Herwig Grimm
Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung, Messerli Forschungsinstitut, Wien
Prof. Dr. Stefan Rieger
Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
Dr. Stephan Schleissing
Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU München