WENN DER PRINZ DEN PRINZEN KÜSST...
Nicht nur Spielzeug, sondern auch das Sortiment von Buchhandlungen wird heute offensichtlich (wieder) nach Geschlecht sortiert: Pink oder Blau signalisieren streng voneinander getrennte Welten. So sprechen populäre Buchserien und Medienverbund-Angebote ganz gezielt Mädchen oder Jungen an, wenn sie von Prinzessinnen und Piraten, wilden Kerlen und frechen Mädchen, verführerischen Vampiren und schönen Schwänen erzählen. Ähnliches zeigt sich in erfolgreichen Serien, Casting-Shows und Computerspielen, die von 'Prinzessin Lillifee' bis 'Germanys Next Top Model', von 'The Walking Dead' bis zu 'World of Warcraft' Mädchen- oder eben Jungenträume aufleben lassen. Es scheint beinahe, als seien wir aller emanzipatorischen Erzählungen zum Trotz zurück bei klaren Rollen und stereotypen Zuschreibungen von Geschlecht, Gewalt, Schönheit und Liebe.
Andererseits, und auch das ist beim Blick in das literarisch-mediale Angebot nicht zu übersehen, sind Literatur und Medien längst Teil gesellschaftlicher Entwicklungen und Verhandlungen. Sie zeichnen weit entfernt von traditionellen Klischees auch ganz andere Geschlechterbilder und erzählen von bunten, atypischen Lebens- und Familienwelten: Nicht nur Patchwork-Familien sind längst ins Bilderbuch, in Kinder- und Jugendromane und -medienwelten eingezogen, auch Queer und Diversity werden zunehmend für Leserinnen und Leser aller Altersstufen thematisiert. Und postmoderne Adoleszenzromane erzählen seit langem schon von Identitäten, die eindeutige Geschlechterkategorien in Frage stellen.
Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, sich mit den divergierenden, ja oft widersprüchlichen Darstellungen, Abbildungen und Inszenierungen dieses literarischen und medialen Phänomens zu beschäftigen und es aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren.
Die Tagung möchte deshalb Trends, Themen und Fragen zwischen klassischen Rollen, aber auch deren Überschreitung und neuen Definitionen nachgehen. Gender- wie Geschlechterfragen sollen dabei in Vorträgen und Workshops aus ganz unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen werden: aus dem Blickwinkel der Publizistik und der Literatur- und Medienwissenschaften genauso wie aus der Sicht der Literaturdidaktik und der Leseforschung. Außerdem werden theoretische Konzepte von Gender und Geschlecht, die je spezifischen Rezeptionszusammenhänge sowie aktuelle Entwicklungen in unterschiedlichen Genres und Medien betrachtet. Zur Diskussion all dieser Fragen laden wir Sie herzlich in die Evangelische Akademie Tutzing ein.
Judith Stumptner, Evangelische Akademie Tutzing
Prof. Dr. Ute Dettmar, Direktorin des Instituts für Jugendbuchforschung, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Gabriele von Glasenapp, Leiterin der Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendmedienforschung an der Universität zu Köln