Zu den Grundwerten der modernen Hospizbewegung gehört die Überzeugung: Es ist nicht unsere Aufgabe, den Tod zu beschleunigen oder zu verzögern. So formuliert es auch die Weltgesundheitsorganisation in ihrer bis heute geltenden Definition: „Palliative care affirms life and regards dying as a normal process, and intends neither to hasten nor to prolong death“.
Diese galt lange als Bollwerk gegen jede Form der Sterbehilfe. Freilich lag der Fokus bisher eher auf dem zweiten Teil der Aussage: Die unnötige Verlängerung von Leiden, das künstliche Aufhalten von natürlichen Sterbeprozessen und Auswüchse der Apparatemedizin wurden kritisiert. Somit konnte die Hospizbewegung in der Abwehr der aktiven Sterbehilfe und im Einsatz für ein würdevolles Sterbenlassen segensreich wirken: Wer gut begleitet wird, stirbt gelassen und zu seiner Zeit!
Doch der Frieden trügt. Zunehmend bitten Menschen darum, dass ihnen beim Sterben geholfen wird. Gerade in gut versorgten und begleiteten Situationen taucht diese Bitte auf. Sie wird geäußert und dabei scheinbar ermutigt von Helfern, die anbieten, „alles mitzutragen“ und „für jede Not und Sorge ein offenes Ohr zu haben“. Also bitten Menschen um Hilfe, wenn sie sterben wollen. Sie verstehen nicht, dass dann plötzlich eine „rote Linie“ aufscheint, die das Hospiz oder der Palliativpflegedienst nicht überschreiten kann und will. Auch in Pflegeheimen, die nach dem Hospizgedanken arbeiten, werden diese Wünsche immer öfter vorgetragen. Es gibt Menschen, die trotz bester Betreuung sterben wollen. Und sie sagen das auch.
Ist dies schon in der „normalen“ Pflege und Medizin eine ethische Herausforderung, so stellt es haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende in der Hospizbewegung vor ein enormes Dilemma. In der endof-life-care sollen Menschen gemäß ihren Bedürfnissen und Wünschen vorurteilsfrei und schier bedingungslos zugewandt begleitet werden (radikale Patientenzentrierung) – und dann verschließt der Wunsch nach Beihilfe zum Suizid scheinbar plötzlich alle Türen.
Das Thema brennt auf den Nägeln. Wir wollen es mit Experten aus der Praxis diskutieren.
Dazu lädt die Evangelische Akademie in Kooperation mit der Bayerischen Stiftung Hospiz zum zweiten Mal zu einem Fachtag nach Tutzing ein.
Dr. Thomas Binsack, Bayerische Stiftung Hospiz
Pfr. Frank Kittelberger, Evangelische Akademie Tutzing