EUROPA ALS FRIEDENSMACHT?
Seit dem Vertrag von Lissabon mit der Einrichtung des Amtes einer Hohen Vertreterin für die auswärtigen Beziehungen der EU und eines Europäischen Auswärtigen Dienstes ist die Außen- und Sicherheitspolitik der EU auf dem Weg der Vergemeinschaftung. Gleichwohl ist der Glanz des Labels „Friedensmacht Europa“ verblasst. Der Anspruch, die unterschiedlichen Interessen der 28 Staaten in einer gemeinsamen und profilierten Politik zu koordinieren, konnte bislang nur unzureichend eingelöst werden. In den großen außen- und sicherheitspolitischen Krisen der Gegenwart, exemplarisch zu nennen wären die Ukraine/Russland-Krise und die Frage der europäischen Nachbarschaftspolitik mit den verbundenen Problemkomplexen der Flucht-, Asyl- und Migrationspolitik, ist die Abstimmung gemeinsamer Positionen ausgesprochen mühsam. In Fragen der Sicherheit im engeren Sinne scheinen (insbesondere für die baltischen und ostmitteleuropäischen Staaten) die NATO und seit dem kriegerischen Konflikt um die Krim und in der Ostukraine auch die lange Zeit vernachlässigte OSZE die wichtigeren Akteure zu sein. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, umstandslos von einer Remilitarisierung europäischer Politik zu sprechen. Die wesentlichen Auslandsmissionen der EU sind humanitärer Art und stehen exemplarisch für ein beeindruckendes Instrumentarium ziviler Konfliktlösungspotentiale.
„Friedenslogik“ und „Sicherheitslogik“ stehen einander als unterschiedliche Paradigmen mit unterschiedlichen normativen Grundannahmen gegenüber. Evangelische Friedensethik geht einerseits „friedenslogisch“ von der „vorrangigen Option der Gewaltlosigkeit“ aus, erkennt aber andererseits auch die „sicherheitslogische“ Perspektive an und sucht die analytischen und konstruktiven Potentiale beider Paradigmen auf dem Weg zu einem inklusiven und gerechten Frieden zu entfalten.
Der Studientag möchte diese Potentiale herausarbeiten und prüfen, welche Ressourcen christliche Friedensspiritualität, Friedenstheologie und Friedensethik in die Suche nach einer dauerhaften Friedensordnung des „gemeinsamen Hauses Europa“ einbringen kann. Der Studientag ist von der Überzeugung getragen, dass das christliche Friedenszeugnis zum einen die besondere und unverwechselbare lebendige Stimme des Evangeliums zur Geltung bringt, andererseits aber auch Orientierungswissen bereit stellt für sachhaltige Analysen und anschlussfähige politische Strategien in lokalen, regionalen und globalen Handlungskontexten.
Wir laden herzlich zur Diskussion in die Evangelische Akademie Tutzing ein!
Dr. Dirck Ackermann, Leitender Militärdekan, Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr
Wolfgang Burggraf M.A., Geschäftsführung Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD
Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing