Zur Zukunft der ethischen Begleitforschung
Das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft wird gegenwärtig neu vermessen. Eine „transformative Wissenschaft“ erhebt den Anspruch, gesellschaftliche Veränderungen nicht nur zu beschreiben, sondern selbst mitanzustoßen. Im Kern geht es um die politische Ordnung des Wissenschaftsbetriebs. Demokratische Entscheidungen sollen bürgernah und zugleich wissenschaftsbasiert ausfallen. Dazu wird ein Forschungsethos gefordert, das nicht nur den wissenschaftlichen Zweifel honoriert, sondern auf eine „gute“ Wissenschaft abzielt. Aber kann und soll eine unabhängige Wissenschaft das alles leisten?
Der Wunsch der Veränderung von Praxis durch Wissen ist auch ein zentrales Anliegen der praktischen Philosophie. Als anwendungsorientierte Ethik widmet sie sich Problemen, für die der Fortschritt der Wissenschaft Lösungen eröffnet, die aber manchmal erst durch diesen Fortschritt hervorgerufen werden. Ethische Begleitforschung soll dabei Brücken bauen zwischen Forschung und Öffentlichkeit, zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Zugleich ist das Wissen der ethischen Begleitforschung kontextabhängig. Welchen Einfluss haben dabei die verschiedenen Orte von Labor und Lebenswelt, die auch unterschiedliche Formen des Wissens adressieren?
Seit drei Jahrzehnten arbeiten am Institut TTN Forschende aus den Natur- und Technikwissenschaften mit Expertinnen und Experten aus Theologie, Philosophie, Recht, Soziologie und Medizin daran, die Forschungsfragen der Zukunft in ihrer Relevanz für die Lebensführung der Menschen zu thematisieren. Auf der Tagung diskutieren wir Methoden und Ziele einer solchen ethischen Begleitforschung. Anlässlich der Gründung des neuen Zentrums Technik-Theologie-Naturwissenschaften der LMU München fragen wir nach den normativen Herausforderungen bei der Anwendung wissenschaftlicher Innovationen. Wofür braucht man heute noch Ethik? Dient sie als Akzeptanzbeschleuniger oder aber zur Reflexion einer Wissenschaftsfreiheit, die den Unterschied zwischen Labor und Lebenswelt zu wahren sucht?
Zur Diskussion dieser Fragen laden wir alle Interessierten herzlich ein in das Schloss Tutzing!
Udo Hahn
Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing
Dr. Stephan Schleissing
Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU München